© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/05 01/06 23./30. Dezember 2005

Der Weihnachtsstern
Zeichen des Lichts
von Karlheinz Weißmann

Himmelszelt" ist im Deutschen auch heute noch ein geläufiger Begriff. So geläufig, daß kaum jemand über die dahinter stehende Vorstellung nachdenkt. Das Bild vom Himmel als Zelt geht wahrscheinlich zurück auf den Eindruck, den jemand haben muß, der in der Nacht durch die kleinen und großen Öffnungen im Stoff der Zeltbahnen das Licht der Sterne sah. Das Himmelszelt ist eine orientalische, nicht im strengen Sinn biblische Vorstellung, die zurückweist auf die nomadische Lebensweise unter freiem Himmel.

Von Abraham wird berichtet, daß Gott ihm die Sterne am Firmament gezeigt habe, als er ihm die Zahl seiner Nachkommen verhieß. Allerdings gab es im Glauben Israels auch einen deutlichen Vorbehalt gegenüber diesem Beeindruckt-Sein. Der gründete in dem prinzipiellen Mißtrauen gegen jede denkbare Verwechslung von Schöpfer und Geschöpf. Was dem Glauben der Menschen nahelag - die Sterne als Göttersitz, ihre Bahn als Entsprechung des Schicksals -, wurde in der Bibel zurückgewiesen. Insofern ist das Auftreten des wunderbaren Sterns in der Weihnachtsgeschichte des Lukas nichts weniger als selbstverständlich, genauso merkwürdig wie das Erscheinen der Weisen aus dem Morgenland, im griechischen Text steht da magoi - "Zauberer", "Sternenkundige", die nach Bethlehem zogen, um den neugeborenen König der Juden zu sehen. In gewissem Sinn bezieht das Neue Testament also das Heidnische wieder ein, nicht um es als solches anzuerkennen, aber um zu zeigen, daß Gott auch die Völker ohne Offenbarung durch das Wort seiner Offenbarung in der Natur teilhaftig werden läßt.

Mit der Verbreitung des Christentums wuchs das Interesse an der Deutung des Weihnachtssterns. Die älteste Theorie besagte, daß es sich um einen Kometen gehandelt habe, die jüngere, seit den Zeiten Keplers vorherrschende ging von einer Planetenkonjunktion aus. Aber das alles erklärt nicht die Faszination des Sterns selbst.

Zu den populärsten Bräuchen der Weihnachtszeit gehören auch heute noch das Auftreten der Sternsinger und das Aufhängen eines vielzackigen "Herrnhuter Sterns" (siehe Bild oben). Das Sternsingen der Katholiken geht letztlich auf das mittelalterliche Almosenbitten zurück, wohingegen der Herrnhuter Stern jüngeren Datums ist. Aus Anlaß einer Feier der "Unitäts-Knabenanstalt" der Herrnhuter im niederschlesischen Niesky soll 1821 der erste dieser Sterne aufgehängt worden sein. Seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich der Brauch auch außerhalb dieser kleinen evangelischen Kirche verbreitet. Vielleicht sollte man darin zuerst eine schöne Ergänzung jener Lieder der Advents- und Weihnachtszeit sehen, in denen nicht nur der Stern von Bethlehem besungen wird, sondern Christus selbst als Stern, als Licht oder sogar als "Weihnachtssonne" auftritt und schließlich die Erde mit dem "Sternenzelt" aufgefordert wird, der Freude über die Geburt des Erlösers Ausdruck zu geben.


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