© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/05 09. Dezember 2005

Kandidat der letzten Hoffnung
CDU Berlin: Der Uno-Umweltdirektor Klaus Töpfer soll die Hauptstadt-Union aus ihrer desaströsen Lage befreien
Markus Schleusener

Die Berliner CDU hat ein Kandidatenproblem. Offenbar traut sich niemand und traut die Partei niemandem in ihren Reihen die Spitzenkandidatur gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bei der kommenden Abgeordnetenhauswahl zu. Im Oktober 2006 wird turnusgemäß ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. In der Berliner CDU weiß man jedoch noch nicht einmal, mit wem man ins Rennen gehen soll. Die Partei wartet auf die Entscheidung ihres Wunschkandidaten, des früheren Umwelt- und Bauministers Klaus Töpfer, seit 1998 Unter-Generalsekretär und Exekutivdirektor im Büro des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Nairobi. Sein dortiger Vertrag läuft noch bis Ende Februar 2006.

In Ermangelung eigener Kandidaten hat sich die Berliner CDU-Führung nach dem Sturz Eberhard Diepgens schon 2001 außerhalb der Stadt auf die Suche nach einer geeigneten Person gemacht. Die Parteibasis blockierte jedoch externe Vorschläge wie Wolfgang Schäuble und nominierte schließlich den Reinickendorfer Abgeordneten Frank Steffel, von dessen damaliger Wahlniederlage sie sich bis heute nicht erholt hat. Vor vier Jahren fiel die Hauptstadt-Union auf 23,8 Prozent zurück. Seitdem ist die 16.000-Mitglieder-Organisation mehr oder weniger kopf- und konzeptionslos. "Wir sind nach wie vor in einer schwierigen Situation und uneins obendrein", sagt ein anderer Funktionsträger an der CDU-Basis, "da ist ein UN-Kommissar wenigstens einer, der einen Namen hat."

Letzte Woche haben sämtliche zwölf Kreisvorsitzende noch einmal an den Parteifreund in Afrika appelliert. Die Botschaft des kollektiven Bettelbriefes: Wenn du kommst, wird es keine Querschläger geben.

Ob sich Töpfer davon beeindrucken läßt? Zumindest hat er nicht dementiert oder dementieren lassen, sondern bereits angekündigt, nach Berlin ziehen zu wollen, wenn seine Zeit als Uno-Direktor ausläuft. Doch niemand in der Berliner CDU scheint einen Plan B zu haben. Alles wartet deshalb gespannt auf das Ergebnis der Kandidatenfindungskommission des Vorstands. Diese will "zum Jahreswechsel", wie es parteiintern heißt, einen Vorschlag unterbreiten.

Was aber, wenn Klaus Töpfer sich bis dahin nicht zur Kandidatur durchringen kann? In der CDU kursieren folgende Szenarien: So könnte der Landesvorsitzende Ingo Schmitt, der gerade vom Europaparlament in den Bundestag gewechselt ist, als Spitzenkandidat antreten. Der politisch blasse Schmitt sollte jedoch nur wegen der desolaten Lage der Partei - praktisch interimistisch - als Vorsitzender einen geeigneten Nachfolger ausfindig machen.

Im Wahlkampf gegen Rot-Rot hätte jeder Kandidat es schwer

Von den Jüngeren wird der Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Nicolas Zimmer, favorisiert. Jedoch bestehen Zweifel, ob ein 35jähriger die Hauptstadtwählerschaft der Union mobilisieren kann. Wenn diese beiden nicht antreten, dann gilt CDU-Generalsekretär Frank Henkel als aussichtsreichster Kandidat. Henkel ist zwar kampfeslustig, aber in Berlin ebenfalls weitgehend unbekannt. Die vierte Option wäre Monika Grütters, die die Berliner Landesliste zur Bundestagswahl anführte, bei der die Union auf magere 22 Prozent abrutschte. Sie erhielt - vielleicht auch deshalb - nicht das erwartete Kulturressort im Merkel-Kabinett.

Ebenso wie der ehemalige Mercedes-Chef Edzard Reuter - Sohn des legendären Bürgermeister Ernst Reuter - vor zehn Jahren von der SPD als Spitzenkandidat gehandelt wurde, könnte sich die Union auch auf einen gestandenen Wirtschaftslenker wie Heinrich von Pierer verständigen. Der war immerhin schon in Merkels Kompetenzteam.

Klarer Außenseiter ist Jörg Schönbohm. Der frühere Innensenator ist 1999 von Berlin nach Brandenburg gegangen. Seit seiner Kritik an der "Zwangsproletarisierung" im Osten ist er dort jedoch nicht mehr wohlgelitten. Außerdem ist der 68jährige nicht einmal ein Jahr älter als Töpfer.

Wer auch immer die Partei in den Wahlkampf gegen Rot-Rot führt, wird es schwer haben. Wowereit kann auf die Grünen als Kraftreserve zurückgreifen. Zur Zeit sieht es jedoch nicht so aus, als ob er das müßte: Die Berliner CDU sackte in Umfragen auf 19 Prozent ab - fast unerreichbar 20 Punkte hinter der SPD.


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