© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/05 09. Dezember 2005

Beleg für eine unzulässige Listenverbindung
Linkspartei: Das verhinderte Zustandekommen einer bundesweiten Linkspartei ist Wasser auf die Mühlen der Kläger gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl
Eike Erdel

Der Bonner Staatsrechtler Wolfgang Löwer und sein Marburger Kollege Hans-Detlef Horn haben gegen die Gültigkeit der Bundestagswahlen vom 18. September Einspruch eingelegt. Die beiden Professoren monieren, daß es sich bei der in den Bundestag gewählten Liste der Linkspartei um eine nach dem Wahlrecht unzulässige Listenverbindung der Parteien WASG und Linkspartei handelt.

Die Querelen der vergangenen Woche auf dem Landesparteitag der Berliner Linkspartei bestärken diese Annahme. So dokumentiert die dort gescheiterte Vereinigung der WASG und PDS, in der es sogar zu einer 45minütigen Unterbrechung wegen teilweise handgreiflicher Auseinandersetzungen zwischen den jeweiligen Parteimitgliedern gekommen ist, daß zumindest in Berlin eine gemeinsame Zukunft verstellt ist. Bei der nächsten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst 2006 wollen die WASG-Genossen sogar gegen die Linkspartei.PDS antreten.

Grundsätzlich ist die Listenverbindung zweier Parteien nach dem deutschen Wahlrecht unzulässig, weil verhindert werden soll, daß kleine Parteien, die nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft ins Parlament einzuziehen, in einem "Huckepack"-Verfahren die Fünf-Prozent-Sperrklausel überwinden. Die Frage, ob eine unzulässige Listenverbindung vorliegt oder nicht, ist - wie im konkreten Falle der Linkspartei vor der Bundestagswahl - nicht einfach zu beantworten. Ein offensichtlicher Fall in der Art, daß zwei Parteien offiziell eine gemeinsame Liste aufgestellt haben, liegt nicht vor. Aber auch eine inoffizielle Listenverbindung ist unzulässig, wenn sie nur zur Umgehung des Verbots gebildet worden ist. Andererseits ist es unbestritten zulässig, daß auf den Listen einer Partei parteilose Kandidaten und sogar Kandidaten einer anderen Partei antreten dürfen.

Der Bundeswahlleiter und die Landeswahlleiter haben jedenfalls in der Liste der Linkspartei keine unzulässige Listenverbindung gesehen. Bei der Beurteilung des Sachverhalts haben sie geprüft, ob die Liste auch der Linkspartei zuzuordnen ist. Sie haben hervorgehoben, daß die Linkspartei über die Reihenfolge ihrer für sie antretenden Kandidaten in geheimer Wahl abgestimmt hatte. Außerdem hatten nach ihrer Ansicht andere Parteien keinen dominierenden Einfluß ausgeübt.

Der Vorwurf der Rechtswissenschaftler ist nun, daß es geheime Absprachen gegeben habe, wonach die Listenplätze vorher ausgehandelt worden seien. Die einzelnen Landesparteitage sollen diese festgelegten Listenverbindungen dann nur noch abgenickt haben. Auch die ehemaligen Verfassungsrichter Karin Graßhoff und Hans Hugo Klein haben die Liste der Linkspartei als eine unzulässige Listenverbindung angesehen.

Tatsächlich gab es ja zwischen den Vertretern der Linkspartei und der WASG vor Aufstellung der Landeslisten lange geheime Verhandlungen. Und es ist nun mal Tatsache, daß die von den Vorständen vorgeschlagenen Kandidatenlisten von den Parteitagen in aller Regel abgesegnet werden. Vereinzelt kamen auch Streitereien ans Tageslicht, wenn ein WASG-Kandidat eben nicht den versprochenen Platz erhalten hat. Spätestens mit dem sich nun abzeichnenden getrennten Antreten zur Wahl in einem Bundesland wird das Argument bestätigt, daß tatsächlich eine unzulässige Listenverbindung vorliegt.

Über die Einsprüche der beiden Staatsrechtler entscheidet zunächst der Bundestag. Zuvor werden die Einsprüche im Wahlprüfungsausschuß des Bundestages behandelt, der dann dem Parlament einen Entscheidungsvorschlag unterbreitet. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, daß die Mitglieder des Bundestages die Rechtsansicht der beiden Professoren teilen und die Ungültigkeit der Bundestagswahlen feststellen werden. Denn dann wären zwingend Neuwahlen anzuberaumen, und die Abgeordneten müßten um ihre Mandate fürchten - der alte Bundestag müßte sogar wieder zusammentreten.

Das Wahlprüfungsgesetz sieht keine Fristen für eine Entscheidung des Bundestages vor. Es ist daher eher zu erwarten, daß die Einsprüche nur zögerlich bearbeitet werden, um eine ablehnende Entscheidung herauszuzögern. Gegen die Ablehnung der Einsprüche kann nämlich innerhalb von zwei Monaten Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben werden, wenn dem Beschwerdeführer mindestens einhundert Wahlberechtigte beitreten.

Diese Hürde dürften die beiden Staatsrechtler überwinden. Das Bundesverfassungsgericht hat dann zu prüfen, ob ein Wahlfehler vorliegt und sich dieser Wahlfehler auf die Mandatsverteilung im Bundestag auswirkt. Da die Linkspartei in den Bundestag gewählt worden ist, hat die Zulassung ihrer Liste offensichtlich Einfluß auf die Mandatverteilung. Stellt also das Bundesverfassungsgericht die Unzulässigkeit der Liste der Linkspartei fest, muß es auch die Ungültigkeit der gesamten Bundestagswahl feststellen.

Grundsätzlich soll ein Wahlfehler ohne Neuwahl korrigiert werden. Ob das in Form einer Aberkennung des Fraktionsstatusses für die Linkspartei erfolgt, wäre zu prüfen. Anders als durch Neuwahlen läßt sich der Fehler aber bei der unzulässigen Wahl einer Fraktion nicht beheben. Die Ungültigkeit der Wahl gilt dann aber nur für die Zukunft. Die von dem ungültig gewählten Bundestag getroffenen Entscheidungen bleiben wirksam. Es bleibt allerdings die Frage, wann das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Derzeit sind beim Bundesverfassungsgericht noch Beschwerden gegen die Bundestagswahl 2002 anhängig. Es kann daher sein, daß sich die Verfahren so lange verschleppen, bis eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts praktisch keine Bedeutung mehr hat. Dennoch ist eine Ungültigerklärung der Bundestagswahl mit der Folge von Neuwahlen nicht auszuschließen.

Die Listenverbindung von WASG und Linkspartei ist auch nicht der einzige Anfechtungsgrund gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl vom 18. September. Insgesamt liegen dem Bundestag 194 Einsprüche von Wahlberechtigten vor, von denen sich die meisten auf die zu kurzen Fristen für die Sammlung von Unterschriften durch die vorgezogenen Wahlen beziehen.


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