© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/05 02. Dezember 2005

Knopf im Ohr: Wer nicht hören kann, muß fühlen
Afrikanisches Exportgut
Sven Lachhein

Schon immer war der Drang des Menschen, sich zu schmücken, sehr ausgeprägt. Seien es kunstvolle Körperbemalungen, Federn, Perlen, Steine oder eben der Brauch, Ohren, Mund und Nase oder wo es der Einzelne sonst noch gerne hat, mit Holz, Horn und Metall zu durchstoßen. Bei Urvölkern finden wir diese Eigenart als Zeichen der Fruchtbarkeit und Schutz vor bösen Geistern. In westlichen Gefilden ist man mittlerweile auch auf den Geschmack gekommen und findet Gefallen an diesen archaischen und zugleich avantgardistischen "Piercings". Nur ist hierzulande von einem etwaigen Kindersegen bislang nichts zu spüren, und böse Geister sind seit der "Achse der Bösen" wieder sehr lebendig. Darum stelle man sich hypothetisch folgende Situation vor: Ein gepiercter deutscher Zeitgenosse betritt die Sicherheitsschleuse eines US-amerikanischen Flughafens. Der Alarmton erklingt, und er wird genötigt, seine metallene Leibespracht abzulegen. Sollte sein Vaterland bis dahin nicht wieder "uneingeschränkte Solidarität" mit Amerika zeigen, könnte es sein, daß dem Delinquenten stellvertretend für Deutschland die Ohren länger gezogen werden, als sie ohnehin schon sind.


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