© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/05 02. Dezember 2005

"Paradigmenwechsel"
Dankrede von Stefan Scheil

Auch meine Arbeiten bauen auf dem auf, was andere vorgelegt haben. Sie gehen dann darüber hinaus, denn vieles läßt sich auf der Basis neuer Quellen und neuer Fakten eben klarer sehen als früher. Insgesamt erzwingen die vorliegenden Fakten mittlerweile das, was man in der Wissenschaft im allgemeinen einen Paradigmenwechsel nennt. (...) Ich will zwei Ereignisse nennen, die auf ihre Weise einen Anteil daran haben, daß ich dies so darstellen konnte und daß ich heute hier stehe.

Da ist zum einen der Historikerstreit der 1980er Jahre. (...) Was hier an Polemik aufbrach, hat die Forschung über den Zweiten Weltkrieg sicher beschädigt. Geradezu atemberaubend und widerstandslos blühen seitdem etwa die Apologien des Stalinismus und die verharmlosenden Beschreibungen stalinistischer Mordtaten. (...)

Das ist zwanzig Jahre her, es fällt - Zufall oder nicht - mit dem Erscheinen der JUNGEN FREIHEIT zusammen. (...) Eines Tages drückte mir jemand ein Flugblatt in die Hand, das mehr oder weniger den Einzug des Faschismus in die Stadt meldete. (...) Was war passiert? Der Universitätskiosk hatte beschlossen, die JUNGE FREIHEIT ins Programm zu nehmen und zu verkaufen. Ich war bereits vorher auf die Zeitung aufmerksam geworden, aber dann doch überrascht, was folgte. Es kam eine Kampagne, die schließlich dazu führte, daß die JUNGE FREIHEIT aus den Auslagen verschwand. Das hat die JUNGE FREIHEIT nicht daran gehindert, weiter zu erscheinen, und mich nicht, einige Jahre später damit zu beginnen, für sie zu schreiben.

Derlei Aufregungen gehören wohl zu dem Preis, den auch heutzutage zu zahlen hat, wer Unzeitgemäßes publiziert. Ich sage "auch" heutzutage, denn die Polemik, der Gerhard Löwenthal ausgesetzt war, darf gerade an dieser Stelle nicht vergessen werden. Ich gehe jedoch davon aus, daß dies darauf hindeutet, daß man auch etwas zu sagen hat und daß das Jahr 1989 vielleicht nicht das letzte seiner Art gewesen ist.


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