© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/05 02. Dezember 2005

PRO&CONTRA
Fahndung auch mit Maut-Daten?
Bernd Carstensen / Stefan Thurmann

Die nach derzeitiger Einschätzung vorsätzliche Tötung eines Parkplatzwächters an der Autobahn A 6 bei Satteldorf und die anschließende Flucht zweier Tatverdächtiger mit ihren Sattelschleppern über die Autobahn machen deutlich, daß die automatisch gespeicherten Lkw-Mautdaten zu polizeilichen Fahndungszwecken genutzt werden müssen. Gegenwärtig ist die Situation so, daß die Daten des mautpflichtigen Lastwagens, mit dem der Parkplatzwächter getötet worden ist, in der Mautdatenbank gespeichert sind. Die Polizei darf aber auf diese Daten, die zur Identifizierung des Täters (Führers des Lkw) führen würden, aus Datenschutzgründen nicht zugreifen. Dieses Verbot des Zugriffs auf die Mautdaten ist nachträglich auf Betreiben des Datenschutzes ins Gesetz aufgenommen worden.

In Fällen solcher und vergleichbar schwerer Verbrechen ist es nach kriminalistischer Einschätzung erforderlich, der Polizei den Zugriff auf die gespeicherten Daten zu ermöglichen. Es ist nicht nachvollziehbar, daß das Autobahnmautgesetz letztlich in seiner Konsequenz einen Straftäter, dem schwerste Kapitalverbrechen, Verbrechen aus der Organisierten Kriminalität oder dem politischen Extremismus und Terrorismus vorgeworfen werden, vor Strafverfolgung schützt.

Es ist besonders darauf hinzuweisen, daß die Kriminalisten nicht den gesamten ungeschützten Zugriff auf alle gespeicherten Mautdaten einfordern. Selbstverständlich ist hier die Relation zwischen Persönlichkeitsschutz und Strafverfolgungsanspruch des Staates abzuwägen. Der Zugriff auf die gespeicherten Daten soll nur über bestimmte formulierte Bedingungen möglich sein. Hier ist jetzt der Gesetzgeber gefordert, das Verbot der polizeilichen Nutzung der erhobenen und gespeicherten Mautdaten aufzuheben und einen Zugriff zum Zwecke der Strafverfolgung in Fällen schwerster Kriminalität zuzulassen.

 

Bernd Carstensen ist Pressesprecher und stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (www.bdk.de).

 

 

Die Pläne von Herrn Schäuble bestätigen leider alle Befürchtungen, die es seit der Einführung des Mautsystems gibt. Die von den Mautstationen automatisch erfaßten Daten sollen nicht allein zum Zweck der Mautüberwachung genutzt, sondern auch zu Fahndungszwecken der Polizei verwendet werden. Dies bringt zwangsläufig eine vollkommen unverhältnismäßige Überwachung des gesamten LKW-Verkehrs mit sich.

Mit einer solchen öffnen wir einem zukünftigen Kfz-Screening Tür und Tor. Technisch ist die vollständige Erfassung aller Fahrzeuge und eine entsprechende Rekonstruktion von Fahrwegen schon mit den heute installierten Geräten möglich. Nach geltender Gesetzeslage müssen diese jedoch sofort vernichtet werden - eine Speicherung und weitere Verwendung ist also verboten. Der Ruf, die Technik für einzelne, eindeutig abgrenzbare Fahndungszwecke mit entsprechenden datenschutzrechtlichen Einschränkungen zu nutzen, ist durchaus nachvollziehbar - nur wird man sich mit einem solchen Schritt nicht zufriedengeben. Darüber hinaus darf der Nutzen bezweifelt werden. Potentielle Täter werden folglich die Autobahn verlassen und sich auf anderen Routen bewegen. Völlig unklar ist auch, wie man dem Problem der Beweislast gerecht werden will. Erfaßt werden Kennzeichen und keine Fahrer. So geraten im Zweifelsfall Unschuldige unter Verdacht und müssen beweisen, daß sie als Halter nicht der Fahrzeugführer waren. Diese Debatte zeigt einmal mehr, wie vorsichtig mit der automatisierten Sammlung von Daten umzugehen ist. Dort, wo große Mengen an Daten gesammelt werden, entstehen immer die Begehrlichkeiten, diese auch zum Zweck der Fahndung oder anderer polizeilicher oder staatlicher Maßnahmen zu nutzen. Dadurch werden jedoch alle Bürger unter einen Generalverdacht gestellt, und bei den Bürgern wird ein dauerhaftes Gefühl der staatlichen Überwachung erzeugt.

 

Stefan Thurmann ist Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Sachsen-Anhalt (www.julix.de).


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