© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/05 02. Dezember 2005

Blockwartdenken
von Tobias Westphal

Der Landesparteitag der Berliner SPD hat am vergangenen Wochenende beschlossen, daß ihre Mitglieder nicht mehr mit der JUNGEN FREIHEIT zusammenarbeiten und ihr insbesondere keine Interviews geben dürfen. Dieser Beschluß ist nicht nur unverständlich, sondern demokratiefeindlich. Für die einst streitbare sozialdemokratische Partei ist dies ein trauriges Eingeständnis der inhaltlichen und argumentativen Selbstaufgabe. Denn eine Regierungspartei legt somit für ihre Mitglieder fest, gegenüber wem sie zu schweigen haben. Die SPD versucht auf diese Weise, ihr unbequeme Meinungen aus den eigenen Reihen zu unterdrücken.

Das Problem für die Partei ist wohl nicht so sehr die Zeitung, in der die Interviews veröffentlicht werden. Vielmehr sind es die in der JF dargelegten Ansichten und Überzeugungen, die manchem SPD-Linken nicht behagen. Prominente Genossen wie Egon Bahr, Peter Glotz und der Berliner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky haben in der JF offen ihre Meinung vertreten. Da man bisher keine überzeugenden Argumente gegen die eigenen Genossen hervorbringen konnte und somit sachlich im demokratischen Streitgespräch unterliegen würde, zwingt man ihnen nun auf, den intelligenten und parteipolitisch unbequemen Mund zu halten. Daran kann man sehen, wie weit sich einige in der SPD von der Meinungs- und Pressefreiheit entfernt haben, die für die Demokratie grundlegend sind. So zieht man Genossen heran, die nicht mehr selbständig denken dürfen, später auch nicht mehr wollen oder können. Dies ist einer großen deutschen Partei unwürdig.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen