© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/05 11. November 2005

UMWELT
Eine Kampagne für unsere Städte
Volker Kempf

Der Mensch braucht Natur, Kultur und eine sinnvolle Aufgabe. Was die Natur betrifft, war sie dem Menschen auch Widersacher. Welch ein Fortschritt schien es zu sein, alles für den Menschen zweckgemäß gestalten zu könne. In den siebziger Jahren hielt man dann auch Hochhausiedlungen für Fortschritt. Dabei blieb hier nicht nur die Natur außen vor, sondern auch die Kultur, die im Krieg in Schutt und Asche gelegt wurde. Die Unwirtlichkeit der Städte breitete sich aus. Aber Menschen mußten schließlich irgendwo wohnen, wird nachträglich entschuldigend gesagt. So mag man auch in Frankreich gedacht haben, wo junge Einwanderer in Vorstädten von Paris leben. "Hier gibt es keinen Bahnhof, kein Schwimmbad, kein Kino, nichts Interessantes", wird einer der jungen Krawallmacher in L'Alsace vom 4. November zitiert. Ein dortiger Supermarktbetreiber meinte: "Man sollte den Architekten festnehmen, der diese Ghettos geschaffen hat. Das sind Gefängnisse."

Es war richtig, in den achtziger Jahren eine andere Architektur einzufordern: weniger Beton, mehr Grün. Sogar Ökosiedlungen entstanden, die eine warme Atmosphäre verbreiten. Doch wo Arbeitslosigkeit herrscht und Einheimische und Zuwanderer miteinander in Konkurrenz leben, da ist nicht viel übrig für schöne Architektur. Mahnende Stimmen gab es immer, doch man setzte auf Kampagnen "gegen Rechts", rief einen "Aufstand der Anständigen" aus und verteilte inflationär Visa. Wohin mit all den Menschen? Wie sollen sie leben? Was wir brauchen, wäre eine Kampagne für mehr Kultur und Natur in unseren Städten. Die Dresdener Frauenkirche steht für das eine, so manche familiengerechte Solarsiedlung für das andere.


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