© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/05 11. November 2005

Frisch gepresst

Lehrer und Pädagogen. Wie sehr Kathederpädagogen und sonstige "Experten" das Themenfeld Bildung beherrschen, läßt sich nach jeder neuen "Pisa"-Eruption beobachten. Somit hat Karin Pfeiffer, langjährige Lehrerin und Autorin vieler pädagogischer Lehr- und Ratgeberbücher, mit ihrer Kritik nicht unrecht, Das Dilemma im deutschen Bildungssystem macht sie an der übermächtigen Herrschaft der Bürokratie fest, die über die Interessen der Lehrer, Eltern und Schüler hinweg seit dreißig Jahren die Schule als gesellschaftspolitisches Experimentier-feld betrachtet. Dabei wurde - oft alle Erfahrungen aus der Praxis des Lehrbetriebs ignorierend - jede "veraltete Pädagogik" zum Feind erklärt. Nun macht man sich über die Konsequenzen Sorgen und versucht weiter mit Benzin zu löschen. Dabei hat die als sozial gepriesene Schulreformpolitik den heutigen Zustand mitverursacht, bei dem Schülern aus armen oder bildungsfernen Elternhäusern eine früher an staatliche Schulen qualifizierte und gute Ausbildung nicht mehr im gleichen Maße möglich ist. Diese wird oft nur an teuren Privatschulen vermittelt - seltsamerweise oft nach traditionellen pädagogischen Mustern (Wer hat das Sagen in deutschen Klassenzimmern. Von der Entmündigung des Lehrers. Stolz Verlag, Düren 2005, 94 Seiten, broschiert, 7,50 Euro).

 

Ideologiefrei erziehen. Auch der seit über dreißig Jahren mit der Praxis vertraute Lehrer Horst Hensel macht in Form einer "Streitschrift" seinem Unmut über Fehlentwicklungen in der deutschen Schullandschaft Luft. Allgemein könne die Schule - die ohnehin durch eine formalistische Konsens- und Kuschelpädagogik meist ihrer Regularien beschnitten sei - nicht mehr die erzieherischen Defizite auffangen, die durch den gesellschaftlichen Verfall in den Familien verursacht werde. So habe mangelnde Disziplin, geistige und leibliche Schwäche - besonders bildungsferne Schüler brächten aufgrund einer umgreifenden Fettleibigkeit selbst im Sport keine Leistung - hauptsächlich mit der häuslichen Erziehung (elterlich wäre oft der unpassende Ausdruck) zu tun. Dazu kämen auch noch die Spannungen mit hauptsächlich männlichen Schülern aus anderen Kulturkreisen, die laut Hensel sogar die Wiederkehr der reinen Jungenschule überdenkenswert erscheinen ließen (Erziehen lernen. Streitschrift wider die Konsenspädagogik. Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung, Seelze 2005, 184 Seiten, broschiert, 9,90 Euro).

 

Schulsysteme. Der Journalist Armin Himmelrath beschreibt die Entwicklung des föderal bedingt sehr differenzierten deutschen Schulsystems, dessen Formen in der Aufgeregtheit neuer Pisa-Ergebnisse schnell grundsätzlich in Frage gestellt werden. Er zeichnet die seit vierzig Jahren andauernde Reformdiskussion nach und kommt zum Fazit, daß mit dem demographische Absturz die große Herausforderung erst noch bevorstehen wird (Abschied vom Gymnasium? Zur Zukunft unseres Schulsystems. Herder Verlag, Freiburg 2005, 157 Seiten, broschiert, 8,90 Euro).


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