© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/05 04. November 2005

Meldungen

Naturkatastrophen und Nationsbildung

BERN. Naturkatastrophen wie Lawinen und Hochwasser kann man in der Schweiz rückblickend durchaus etwas Positives abgewinnen. Denn in dem von immerwährender Neutralität geschützten Alpenstaat hätten verheerende Naturgewalten während des 19. Jahrhundert im Prozeß der "Nationsbildung" vergleichsweise die Rolle von "Einigungskriegen" übernommen, wie Reto Müller und einige seiner Kollegen in umfangreichen, vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft in Auftrag gegebenen Fallstudien über die "Auswirkungen von Naturkatastrophen auf staatliches Handeln" herausgefunden haben (Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 3/05). Die Kriegsmetapher schimmere immer wieder bei Spendenaufrufen und Empfehlungen für staatliche Präventionsmaßnahmen durch. Die Naturgefahr "von innen" habe "Abwehrstrategien" verlangt und insbesondere in den Bergregionen eine kollektive, den Kantönligeist überwindende kollektive Mentalität ausgeprägt, die sich in einer Opferbereitschaft niedergeschlagen habe, die anderswo der Landesverteidigung zugute gekommen sei.

 

Furchtbares Chaos: Gadamers Koffer

GÖTTINGEN. Unter den Nachlassern wissenschaftshistorisch bedeutender Manuskripte und Briefe gebe es drei Typen: den Pedanten, den Vernichter und den Chaoten. Der 2002 im 102. Lebensjahr verstorbene Heidelberger Philosoph Hans-Georg Gadamer habe, wie der Marbacher Archivar Ulrich von Bülow höflich ausführt (Geschichte der Germanistik, 27-28/05), nicht zu den Pedanten oder den Vernichtern gehört. Gerade deshalb hielt das Durcheinander der Papiere, die die Marbacher im Hause des toten Denkers zwecks Übernahme in das Deutsche Literaturarchiv sichteten, eine faustdicke Überraschung bereit. In einem hinteren Regal des Abstellkellers fand von Bülow den "Leipziger Koffer" Gadamers, mit wertvollen Korrespondenzen aus den dreißiger und vierziger Jahren, die 1947 unter größten Schwierigkeiten den interzonalen Umzug des unter sowjetische Pressionen geratenen Philosophen nach Frankfurt/Main überstanden. Die Bedeutung des Fundes demonstriert von Bülow anhand einiger Briefe aus dem Freundeskreis der Literaturwissenschaftler und Philosophen Max Kommerell, Werner Krauss, Leo Strauss, Karl Löwith und Gerhard Krüger, die Gadamers prekäre Lage in der "inneren Emigration" veranschaulichen.

 

Erste Sätze

Ehe Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg die achtunggebietende Stellung errungen hatte, die ihn zu einem der meistumworbenen Fürsten Europas machte, war fast die Hälfte seiner langen Regierungszeit verstrichen.

Arthur Hobrecht: Fritz Kannacher. Historischer Roman, 3. Auflage Berlin 1911


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