© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/05 04. November 2005

Ewiges Höllenfeuer
Zwischen Friede und Unterwerfung: Der "Fall Raddatz" und die Islamisierung Europas
Claudia Hansen

Möge der allmächtige Schöpfer ihn für seine Verbrechen bestrafen!" Hatte dieser drohende "Gebetsaufruf" den Zweck, Hans-Peter Raddatz einzuschüchtern und mundtot zu machen, dann wurde das Ziel klar verfehlt. Der islamkritische Orientalist Raddatz gewann in den vergangenen Wochen unverhoffte Publizität, seit ein umstrittener Text auf der Internetseite www.muslim-markt.de  bekannt wurde: "Und wenn Herr Raddatz ein Haßprediger und Lügner ist, dann möge der allmächtige Schöpfer ihn für seine Verbrechen bestrafen", lautete die entscheidende Passage. Die Betreiber der Internetseite, die schiitischen Brüder Yavuz und Gürhan Özoguz, bereuen das "Gebet" mittlerweile. Ausdrücke wie "Vernichtung" oder "Gottes Strafe" könnten "falsche Assoziationen" wecken, sagen sie jetzt.

Es sei "nicht ausgeschlossen, daß irgendein Verrückter das Gebet als Mordaufruf begreifen könnte", geben die Brüder Özoguz zu. Bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg klingelten die Alarmglocken. Man müsse "mit dem Schlimmsten rechnen" - es bestünde gar "die Möglichkeit eines zweiten Falls Theo van Gogh". Solche Vergleiche weist Raddatz vehement zurück. Der holländische Filmemacher, der vor einem Jahr in Amsterdam von einem fanatischen Muslim auf offener Straße regelrecht abgeschlachtet wurde, habe eine "teilweise ordinäre Sprache" gewählt. Diese Art "obszöne Vermittlung" lehnt Raddatz ab. Ihm geht es um eine wissenschaftliche Analyse des Islam, dem er im Kern eine unlöschbare Gewaltdisposition unterstellt.

Raddatz gilt als einer der schärfsten Gegner eines blauäugigen Dialogs mit orthodoxen Muslimen. Er kritisiert jene naiven Islamophilen, die eine scheibchenweise Abschaffung westlicher Grund- und Freiheitsrechte durch "Toleranz" für die Scharia dulden. Raddatz' Argumentation ist komplex und bewegt sich auf mehreren Ebenen. Sie umfaßt kritische Exegesen des Korans und der Prophetengeschichten, denen er die Geistesgeschichte des Westens gegenüberstellt, auch deren jüngste Wendung ins Multikulturalistische. Seine Thesen treffen damit ins Schwarze jener westlichen Ideologie, die von Selbsthaß geprägt die eigenen kulturellen Leistungen abwertet und die Landnahme durch fremde Kulturen und Religionen als Erlösung propagiert.

Ein Beispiel für völlig mißglückten "Dialog" lieferte die Rede eines muslimischen Verbandsvertreters in der Audienz bei Papst Benedikt XVI. anläßlich des Weltjugendtags in Köln. Ridvan Cakir, der Präsident der vom Diyanet-Religionsministerium in Ankara gesteuerten Türkisch-Islamischen Union (Ditib), erklärte dort allen Ernstes: "Nach dem gnadenreichen Koran darf niemand wegen seiner Religionszugehörigkeit verachtet und gezwungen werden, seinen Glauben aufzugeben. Der Koran sagt: 'Ihr habt eure Religion, ich habe meine Religion'." Cakirs Aussage steht in krassem Widerspruch zu etlichen Passagen des heiligen Buchs der Muslime.

Zwar duldet der Koran die Anhänger einer Buchreligion, also Christen und Juden, unter der Voraussetzung, daß sie Tribut zahlen und sich in ihren untergeordneten Status als Schutzbefohlene, als "Dhimmi", fügen. Die ägyptische Historikerin Bat Ye'Or hat dargestellt, welch hartes Los die "Dhimmitude" bedeutete: eine planmäßige Unterdrückung und, im Ergebnis, langsame Auslöschung. Neben den "toleranten" Tendenzen finden sich auch zahlreiche Stellen im Koran, die explizit zu grausamem Kampf und Terror gegen die "Ungläubigen" und Apostaten, also die vom Glauben Abgefallenen, aufrufen.

Wie steht es mit dem vom Ditib-Chef Cakir behaupteten Prinzip des Korans, "Ihr habt eure Religion, ich habe meine Religion"? Dieser Satz findet sich nirgends. In Sure 2, Vers 191 steht über die "Ungläubigen": "Und erschlagt sie, wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben; denn Verführung ist schlimmer als Totschlag." "Verführung" bedeutet Mission. In Sure 2, Vers 193 heißt es: "Und bekämpft sie, bis die Verführung aufgehört hat, und der Glaube an Allah allmächtig ist." Solche Verse stehen beispielhaft für die zahlreichen Aufrufe zum Mord an Andersgläubigen. Cakirs Behauptung, der Koran predige Respekt für Andersgläubige, trifft nicht zu.

Islamwissenschaft galt lange als Orchideenfach. Seit sich Anschläge muslimischer Terroristen häufen, sucht der Westen verzweifelt nach Rat. Die theologischen Hintergründe der am schnellsten wachsenden Religion der Welt erscheinen den meisten fremd und unergründlich. Doch plötzlich wimmelt es von Islam-Experten. Raddatz gehört zu den "politisch Unkorrekten", da er auch auf dunkle Seiten hinweist. Jüngst forderte er eine "Lex Islam", um die Grenzen der Religionsfreiheit des Grundgesetzes für die Anhänger Mohammeds zu bestimmen. Eine eher positive Bewertung des Islams und seines Integrationspotentials liefern etwa der eng mit Milli Görüs kooperierende Kulturanthropologe Werner Schiffauer oder Udo Steinbach, der Direktor des Hamburger Orient-Instituts. Steinbach sagte gar höhnisch, Raddatz habe islamistische Drohungen "provoziert".

Was die islamophilen Experten an "Aufklärung" bieten, ist nur zu oft interessengeleitet. Schon die Übersetzung des Begriffs "Islam" bleibt umstritten. Eine Ditib-Großdemonstration vergangenes Jahr stand unter dem Motto "Islam heißt Frieden". Dagegen steht die bekannte Version: "Islam heißt Unterwerfung". "Friede heißt 'Islam' auf keinen Fall", stellt Tilman Nagel fest, einer der renommiertesten deutschen Islamwissenschaftler, der eine ähnlich kritische Sicht des Islams wie Raddatz hat. "Das arabische Wort 'Islam' ist ein Verbalnomen, dessen ursprüngliche Bedeutung 'Weggeben' war." Im übertragenen Sinn meint es also, der Gläubige gibt sich ganz aus der Hand, geht eine existentielle Beziehung zu Gott ein und unterwirft sich dessen Willen.

Der Streit ist keinesfalls Wortklauberei. Die politische wie auch die geistige Auseinandersetzung basiert häufig auf einem Kampf um Worte. Wer die Macht hat, die allgemeine Terminologie zu prägen, den Sinn von Schlüsselbegriffen zu definieren, der kann über die Sprache das Denken in die gewünschten Bahnen lenken. Schon Wittgenstein beklagte die Verwirrung der Sprache, die Verdrehung und Verzerrung des Wortsinns, die ein klares Denken unmöglich mache.

Nach einem von Muslimen häufig zitierten Koranvers gibt es "keinen Zwang im Glauben". Dieses Fragment aus Sure 2, Vers 256 wird als Beleg für islamische Toleranz vorgebracht - "eine bewußte Irreführung", sagt Nagel. Wer den Gesamtvers liest, erkennt den Zusammenhang. "Gemeint ist mit 'kein Zwang im Glauben', daß Mohammed den natürlichen, das heißt, den von Allah dem Menschen von Natur aus zugedachten Weg wiedergibt, während jüdische und christliche Elemente als 'Entstellungen' abgelehnt werden." Das Zitat meint im Kontext also, die "widernatürlichen" Lehren anderer Religionen zu überwinden. Im folgenden Vers wird den Ungläubigen schon wieder mit ewigem Höllenfeuer gedroht. "Mit Religionsfreiheit", so Nagel, "hat das also überhaupt nichts zu tun."

In den kommenden Jahrzehnten wird die Islamisierung Europas fortschreiten und sich beschleunigen. Mit dem EU-Beitritt der Türkei würde das Tor zu Arabien noch weiter geöffnet. Was dies für Christen und Kritiker des Islams bedeutet, mag man sich ausmalen. "Dhimmitude" und Ausschaltung der freiheitlichen Grundordnung sind schmerzhafte historische Erfahrungen. Der Fall Raddatz mag ein Weckruf sein.

Foto: Koran: "Erschlagt sie, wo immer ihr auf sie stoßt ...", heißt es in Sure 2, Vers 191 über die "Ungläubigen"


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