© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/05 04. November 2005

UMWELT
Vom Atomausstieg zum Atomauslauf
Volker Kempf

In den siebziger Jahren gingen am Kaiserstuhl konservative Bauern und linke Protestler auf die Straßen und verhinderten ein Atomkraftwerk. Das Thema wurde 1979/80 zum Gründungsmythos der Grünen-Partei. In der Folge laufen heute in Deutschland nur 17 AKW, während Frankreich 59 Anlagen betreibt. Dort hat man Überkapazitäten, bei uns will die Union die von Rot-Grün angestrebte Verkürzung von Restlaufzeiten wieder streichen. Ein Neubau von Atomreaktoren steht hingegen nicht (mehr) zur Diskussion. Die Union ist gut beraten, es dabei zu belassen. Zu tief ist hierzulande das Bewußtsein um ungelöste Entsorgungsproblemen und mittlerweile auch um Risiken bei Terroranschlägen. Insofern ist das, was SPD und Union in Zwietracht bringt, noch kein Erdbeben, sondern der Versuch, aus einem Atomausstieg einen Atomauslauf zu machen.

Daß Rot-Grün nicht ewig regiert und der Atomausstieg nur auf dem Papier steht, war immer klar. Was soll die Aufregung? Die Kassen sind leer, gebaute AKW vorzeitig abzuschalten, kostet Geld, das man besser in die Forschung neuer Energietechnologien investieren könnte, argumentiert die AKW-Lobby und macht entsprechende Angebote. Warum sollte man das ausschlagen? Ein Kompromiß wird zu finden sein, damit sich die SPD als Anwältin der AKW-Gegner profilieren kann, die CDU als "Pfennigfuchser". Damit wird unsere Konsensgesellschaft leben können. Ob die Forschung an einem Fusionsreaktor (gefördert mit 105 Millionen Euro) der Weisheit letzter Schluß ist, darf aber bezweifelt werden, da auch hier Risiken liegen. Anders sieht es bei der Geothermie aus. Dafür daß die Forschung hier weitergeht, lohnt sich jeder Energieaufwand.


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