© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/05 28. Oktober 2005

Medien
Jedem Ende wohnt ein Zauber inne
Dieter Stein

In der Hauptstadt wird derzeit lebhaft der Verkauf der Berliner Zeitung an angloamerikanische Finanzinvestoren unter Führung von David Montgomery diskutiert (siehe auch Beitrag auf Seite 11). Entsetzt ist man über die Übernahme eines traditionsreichen Titels durch Investoren, die kein originär verlegerisches Interesse haben, sondern sich alleine wegen der Rendite an dem Blatt beteiligen.

Auch kleine Titel sind vor "unfreundlicher Übernahme" nicht gefeit. So erreichte dieser Tage die Abonnenten der Zeitschrift Criticón die Mitteilung, daß dieses einstige konservative Traditionsblatt in Neue Nachricht umgetauft wurde. Der Inhaber des GES-Verlages, der Criticón 1998 vom Gründer, Caspar von Schrenck-Notzing, mit der Maßgabe übernommen hatte, die Zeitschrift als rechtsintellektuelles Blatt fortzuführen, brüstet sich nun damit, die "publizistische Linie des Blattes ordoliberal geschärft" zu haben (Seite 12).

In Wahrheit wurde Criticón in den letzten Jahren systematisch politisch entkernt, heruntergewirtschaftet zu einem skurrilen Mitteilungsblatt für PR-Leute mit Spezialbereich Abfallwirtschaft!

Der "Fall Criticón" kann aber als ein warnendes Lehrbeispiel dienen, wie schwierig es überhaupt ist, das Lebenswerk eines Menschen, insbesondere eines Verlegers, in verantwortungsbewußte Hände zu legen. Vor diesem Problem stehen Tausende Unternehmer jedes Jahr, und viele geben ihre Betriebe auf oder verkaufen sie. Nicht immer finden sie Söhne und Töchter, die in ihre Fußstapfen treten wollen.

Im Sinne der Maxime, Dinge schaffen zu wollen, deren Erhaltung sich lohnt, ist es manchmal vielleicht sogar besser, etwas inzwischen völlig Verkorkstes wird eingestellt, als daß es als lebender Leichnam dahinvegetiert. Wie ein Phönix aus der Asche entsteht schließlich das Alte auch immer wieder neu. Der Samen, den das alte Criticón ausgestreut hatte, ist vielfach aufgegangen. Diese Früchte sind nicht mehr zu beseitigen, die Spuren nicht mehr zu verwischen.

Auch diese Zeitung hätte es vielleicht so nie gegeben ohne das erlesene Kulturmagazin aus München, das in der bleiernen Zeit der Kulturrevolution 1970 entstand und zu einem Kristallisationspunkt für konservative Intellektuelle wurde. Namen wie Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Armin Mohler, Karlheinz Weißmann, Gerhard Löwenthal, Wolfgang Seiffert, Klaus Hornung, Klaus Motschmann, Ernst Topitsch, Günter Maschke und viele andere fanden sich hier ein und publizierten in einem einmaligen politisch-literarischen Salon.

"Und jedem Ende wohnt ein Zauber inne", könnte man in Abwandlung des berühmtem Zitates von Hermann Hesse aus seinem Gedicht "Stufen" zum Aus von Criticón sagen. Die Zeilen davor lauten treffend: "Wie jede Blüte welkt und jede Jugend / Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, / Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend / Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. / Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe / Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, / Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern / In andre, neue Bindungen zu geben."

Die Stafettenstäbe sind längst übergeben. Ein Name ist vergangen, die Ideen tragen andere weiter.


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