© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/05 28. Oktober 2005

Schrecken des Krieges
Ausstellung: 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden
Ekkehard Schultz

Knapp vier Jahrzehnte nach dem Beginn der Reformation in Deutschland, die sich als Erneuerungsbewegung verstand, jedoch Kirchenspaltung und blutige Kriege im Reich nach sich zog, war der Religionsfrieden zu Augsburg der erste Versuch, eine tragfähige Regelung zwischen den verfeindeten katholischen und protestantischen Ständen zu erzielen.

Um an dieses Ereignis vor 450 Jahren zu erinnern, bietet die Fuggerstadt bereits seit Februar 2005 eine Vielzahl von Theater- und Musikaufführungen, Vorträgen und Lesungen an. Im Mittelpunkt des Festjahres steht jedoch die Ausstellung im Maximilianmuseum "Als Frieden möglich war - 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden", in welcher detailliert die historischen und religiösen Hintergründe der Friedensregelung beleuchtet werden.

Bereits bei der Erarbeitung der Konzeption wurde Wert darauf gelegt, weniger den "Glaubenskampf" in Deutschland vom Thesenanschlag Luthers bis zur Schlacht von Mühlberg 1547 in den Vordergrund zu stellen, der wissenschaftlich sehr gut erforscht ist. So liegt das Hauptgewicht der Ausstellung nicht so sehr auf der Vorgeschichte des Religionsfriedens als vielmehr auf einem Panorama des Zeitraumes zwischen 1555 und den auch historischen Laien weitaus bekannteren Friedensschlüssen zu Münster und Osnabrück im Jahr 1648, mit denen der Dreißigjährige Krieg beendet werden konnte, sowie der Rezeptionsgeschichte der Augsburger Regelungen bis ins 20. Jahrhundert. Besonderen Wert legen die Ausstellungsmacher auf die europäische Dimension, die dem Besucher in unterschiedlichsten Facetten vor Augen geführt wird.

Ausgehend von dem Anspruch des habsburgischen Kaisers Karl V., die Einheit von Reich und Religion zu bewahren bzw. wiederherzustellen, dem Traum von der "Monarchia universalis", stand Europa seit Beginn des 16. Jahrhundert nicht nur vor religiösen Umbrüchen. Der gleichzeitige Bedeutungsgewinn der Machtfrage zwischen Fürsten und Ständen ließ sich teilweise mit konfessionellen Gegensätzen begründen. Umgekehrt waren jedoch Konflikte in religiösen Fragen zugleich auch immer mit Machtfragen verbunden, die sich dadurch weiter verschärften.

Die blutigen Konflikte, die dem Zerbrechen der christlichen Einheit im Europa des frühen 16. Jahrhunderts folgten, waren von einer neuen Qualität. Im Vergleich zum Beispiel zur mittelalterlichen Fehde galt es nicht mehr nur, einen Gegner zu bezwingen, sondern die andere Partei in einem "gerechten Krieg" möglichst vollständig zu vernichten. Ebenso wurde auch die gesamte Bevölkerung eines Landes als "Kampfpartei" betrachtet, soweit sie "andersgläubig" war.

Objekte wie das "Stehende Tödlein", eine etwa 17 Zentimeter große, aus Lindenholz geschnitzte Figur von Georg Petel von 1630 verdeutlichen ebenso die Schrecken des Krieges wie die zwölf Radierungen aus der Folge "Les Misères et les Malheurs de la Guerre" nach Jacques Callot. Die Geschichtsblätter Franz Hogenbergs widmen sich den Glaubenskämpfen in den Niederlanden auf eindrückliche Weise.

Erst das Vertragswerk von Münster und Osnabrück war auf eine dauerhafte Mehrkonfessionalität im Reich ausgerichtet. Nunmehr wurde das gleiche Recht für die Konfessionen, einschließlich des calvinistischen Bekenntnisses aufgenommen - freilich wiederum auf der Grundlage des Cuius regio, eius religio. Zum Zweck der Herstellung der Gleichheit zwischen den Reichsständen gehörte nun die vollständige Suspension der zum Teil noch immer beanspruchten geistlichen Jurisdiktion in nichtkatholischen Territorien, die Anwendung des Geistlichen Vorbehalts auch auf protestantische Bistumsadministratoren, die nun mit der Konversion zum Katholizismus ebenfalls ihr Amt verloren, und die paritätische Besetzung der beiden höchsten Reichsgerichte.

Die Augsburger Ausstellung bleibt nicht bei der Vermittlung der politischen und religiösen Zusammenhänge dieser Zeit stehen, sondern bietet zugleich einen breiten Einblick in die kulturellen Entwicklungen. So wird der Zusammenhang zwischen Kunst und Konfessionalisierung ebenso untersucht wie die Entwicklung von Schulen und Universitäten im 16. Jahrhundert, die Erneuerung des Kunsthandwerks und die Friedensthematik in der Musik.

Schließlich ist es ein Anliegen der Ausstellungsmacher, die Frage nach religiöser und weltlicher Toleranz aus dem Kontext der Ausstellung auch auf die heutige Zeit zu übertragen. Allerdings dürfte eine Diskussion darüber eher kontrovers verlaufen, denn grundsätzlich wurde dieser Begriff in einem anderen Kontext als heute gebraucht: Selbst für den großen niederländischen Humanisten Erasmus endete die Duldsamkeit dort, "wo das gesamtgesellschaftliche Gefüge in Gefahr" gerät; daher lehnte er strikt die Aufnahme von Nichtchristen wie Türken oder anderen Muslimen in die Christengesellschaft ab.

Die Ausstellung im Maximilianmuseum Augsburg endet am 30. Oktober. Der reichbebilderte Katalog kostet 39,90 Euro.


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