© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/05 28. Oktober 2005

Kolumne
Hoffentlich kein Pyrrhus-Sieg
Klaus Hornung

Auf den ersten Blick scheint "alles paletti":Angela Merkel wird Kanzlerin, und - für Politiker meist das wichtigste - die Spitzenposten sind verteilt. Aber eben nur auf den ersten Blick. Es bleibt das Desaster der Union am 18. September, die selbstverschuldete Pulverisierung ihres zunächst sicheren Vorsprungs.

Die Gründe des strategisch verkorksten Wahlkampfes sind bekannt: der Verzicht auf die Einbindung in eine grundsätzliche Dimension und auf das politisch-ideologische Markenzeichen der Partei, die Soziale Marktwirtschaft, zugunsten einer einseitig wirtschaftspolitisch und technokratisch dargebotenen Linie, das Fehlen von Herz und Vision, die mangelnde Deutlichkeit des eigenen strategischen Profils. Aber das konnte alles nicht eigentlich verwundern, denn in diesem Wahlkampf spiegelte sich erneut das Elend der Union der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, in denen sie sich Stück um Stück vom Zeitgeist in die Defensive drängen ließ, ihr unverwechselbares freiheitlich-konservatives Profil meist ängstlich versteckte und sich immer wieder wegduckte vor den von den Kommandohöhen der veröffentlichen Meinung erzeugten Winden und Strömungen (die lange Kette der "Fälle" Filbinger, Jenninger, Heitmann, bis Hohmann ist Zeuge).

Kann das nun besser werden - jetzt, da die Union mit den harten Profis der SPD in einer Regierung sitzen wird? Man mag es hoffen und wünschen im Interesse unseres Landes, aber Skepsis ist angebracht. Und das Bild, das die Union schon jetzt während der ersten Koalitionsverhandlungen bietet, ist alles andere als überzeugend. Kleinliches Hickhack steht erneut vor der notwendigen weiten Perspektive und Aufbruchstimmung. Der Verzicht auf herausragende Köpfe wie Friedrich Merz ist kein Qualitätszeugnis für die Kanzlerkandidatin, und das Wegducken vor den Medien, zu dem gerade sie neigt, ist langfristig gewiß kein Erfolgsrezept. Noch so ein Sieg wie der am 18. September und wir sind verloren, sagten schon die Alten. Die Erinnerung an die Große Koalition vor 40 Jahren ist nicht schlecht. Aber sie hatte mit Franz Josef Strauß und Karl Schiller zwei "starke" Persönlichkeiten, die etwas wußten von staatspolitischer Verantwortung. Und die damals anstehenden Reformaufgaben waren ein Kinderspiel im Vergleich zu den Herkules-Aufgaben, vor denen wir heute stehen. "Bei Philippi sehen wir uns wieder", hieß es einst im Kampf der Epigonen um Cäsars Erbe, sprich: bei den nächsten Wahlen, vielleicht schon in zwei Jahren. Mögen es wenigstens keine total verschenkten Jahre werden.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


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