© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/05 28. Oktober 2005

Klaus Berger
Der Dunkelmann
von Karlheinz Weißmann

Unter der Überschrift "Wie der Theologe Klaus Berger die gläubige Welt täuschte" hat die Zeit letzte Woche einen Artikel veröffentlicht, in dem es um das - zugegebenermaßen etwas irritierende - Faktum geht, daß der Neutestamentler Klaus Berger als Katholik an einer evangelischen theologischen Fakultät lehrt. Das hat den Protestanten Robert Leicht, ehemals Chefredakteur der Zeit, ehemals Synodaler der EKD und immer noch Dr. h. c. der evangelischen theologischen Fakultät in Münster, bewogen, scharfe Maßnahmen zu verlangen, inklusive Kürzung der Pension.

Es lohnt den Hinweis kaum, daß Berger, Jahrgang 1940, die um seine Person entstandene Verwirrung schon früher durch einen Leserbrief an die Frankfurter Allgemeine zu beseitigen trachtete und dabei Details seiner nicht ganz windungsfreien akademischen Laufbahn ausbreitete. Denn die leichte Attacke hat wenig mit irgendwelchen dienstrechtlichen Problemen und viel mit einem prinzipiellen Widerwillen gegen Berger zu tun. Der gilt "aufgeklärten" Geistern - auch und gerade den kirchenfreundlichen - als eine besonders gefährliche Art von Fundamentalist. Ein insofern begründeter Verdacht, als Berger den Konsens moderner Theologie in entscheidenden Punkten nicht teilt: er hält an der Möglichkeit des direkten göttlichen Eingreifens fest, beharrt auf dem Offenbarungscharakter der Bibel und vor allem der Glaubwürdigkeit der Evangelisten, verteidigt die Gottessohnschaft Jesu, das Osterereignis und die Begründung der Kirche in der Schrift. Berger versäumt keine Gelegenheit, um gegen die "neue und wirkliche Unfehlbarkeit" der historisch-kritischen Schule zu polemisieren, und vor allem läßt er ihr die Inkonsequenz nicht durchgehen. Auf eine altertümlich wirkende Art und Weise stellt er Wahrheitsfragen.

Das dürfte Leicht genauso unangenehm berühren wie die offen bekundete Sympathie für den neuen Papst beziehungsweise den Widerwille gegen die "Progressiven", bekundet zum Beispiel unlängst in einem Interview mit dieser Zeitung (JF 17/05). Aber es wäre ihm kaum der Rede wert, wenn Berger die Ergebnisse seiner Forschung in wissenschaftlichen Büchern begrübe. Nur ist der auch ein ausgesprochen produktiver und pädagogisch begabter Autor und veröffentlicht vieles in für den Laien lesbarer Form. Dieser Erfolg der populären Arbeiten Bergers wird in Leicht den Kulturkämpfer geweckt haben, der die vom Obskurantismus bedrohten Massen retten will. Die von Berger erstrebte Scheidung der Geister ist nicht nach seinem Geschmack. Soweit die Kirche - die, der verheißen ist, daß sie nicht überwinden die Pforten der Unterwelt - eine Zukunft hat, wird sie das auch Männern wie Berger zu verdanken haben, die zentrale Anliegen des Glaubens volkstümlich auszudrücken vermögen, ganz sicher nicht den "Ikonen" der religiösen Selbsterfahrung wie Hans Küng, Eugen Drewermann, Jürgen Fliege - und auch nicht Robert Leicht.


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