© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/05 21. Oktober 2005

Auf der Stelle getreten
Der Orientalist Hans-Peter Raddatz läuft Gefahr, redundant zu werden / Sein neuestes Buch "Allahs Frauen" kann nicht überzeugen
Holger Wartz

Der streitbare Orientalist Hans-Peter Raddatz meldet sich erneut zu Wort. Dieses Mal widmet er sich in seinem Buch mit dem absatzfreundlichen Titel "Allahs Frauen" den Frauen und dem Frauenbild des Islam. Raddatz trifft damit zweifelsohne wieder einmal den Nerv der Zeit, das ist seine Spezialität.

Seit dem Anschlag auf das Welthandelszentrum in New York hat er bereits vier Werke zum Thema veröffentlicht, deren Grundtenor allerdings immer der gleiche ist: Der Islam ist eine dem Westen wesensfremde Religion, ja sogar eine Bedrohung. Terror und Gewalt wurzeln nicht in Fehlinterpretationen des Islam, sondern gehören mit zur muslimischen Identität.

Auch bei "Allahs Frauen" bleibt er seinen Grundprinzipien treu. Nach einem faktenreichen und weitgehend gründlich historischen Teil entfaltet Raddatz sein beklemmendes Szenario der Gewalt. Wie bereits in seinem Buch "Allahs Schleier" sieht Raddatz im Kopftuch ein sichtbares Zeichen von Gehorsam und uneingeschränkter Verfügbarkeit. Auch dafür, daß sich muslimische Frauen mittlerweile selbstbewußt für das Kopftuch entscheiden, hat Raddatz eine Erklärung: Indem sie ihre Zwangslage zur objektiv bestmöglichen Seinsform aufwerteten, würden sie subjektiv anderen Seinsformen überlegen.

Es ist aber nicht nur das islamische Kopftuch, dem Raddatz den Kampf angesagt hat. Ebenso bringt er die sogenannten "Ehrenmorde" mit ins Spiel. Die Erklärungen muslimischer Autoritäten, die diese meist tribalen Bräuche als unislamisch verurteilen, läßt Raddatz nicht gelten. Er sieht in diesen besonders brutalen Fällen familiärer Gewalt die Auswirkungen des muslimischen Wertekanons. Andere Erklärungsmuster kommen bei Raddatz nicht vor - etwa, daß die Machokultur der Ghetto-Banden in den Ausländervierteln eher von US-amerikanischen Rapmusikern als von muslimischen Geistlichen beeinflußt wird.

Ähnlich verfährt Raddatz mit dem bestialischen Brauch der Frauenbeschneidung, den er über kurz oder lang ebenfalls dem muslimischen Kultureinfluß unterstellt. Dabei muß man ihm zugute halten, daß er wenigstens noch in einem Halbsatz darauf eingeht, daß auch koptische Christen seit jeher so verfahren. Die Genitalverstümmelung ist fast ausschließlich in afrikanischen Gesellschaften üblich und Teil brutaler Sippengesetze. In muslimischen Ländern wie dem Iran oder Saudi-Arabien ist diese Praxis laut Informationen der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes unüblich.

Alles in allem bringt der "neue Raddatz" also wenig Neues. Wer das Buch zur Hand nimmt, erfährt insgesamt mehr über Raddatz selbst denn über das muslimische Frauenbild. So beschwert sich Raddatz darüber, daß man als Islamkritiker heutzutage pauschal als "Rassist" und "Rechtsextremist" verurteilt werde, ohne überhaupt zu bemerken, daß seine Ansichten in der deutschen Medienlandschaft längst en vogue sind. Streckenweise paßt zwischen den konservativen Raddatz und die linksradikale Feministin Alice Schwarzer kein Blatt Papier mehr, und auch Otto Schily (SPD) und Günther Beckstein (CSU) vertreten Ansichten, die denen Raddatz' durchaus ähnlich sind.

Doch anstatt diese Realität zu akzeptieren, erfindet Raddatz das Schreckgespenst einer allmächtigen "Islamlobby", die alles und jeden, der sich kritisch zum Islam oder zum "Islam-Dialog" äußert, mit faschistoiden Mitteln bekriege. Auch der völlig unsinnige Modebegriff des "Islamo-Faschismus" wird von Raddatz dankbar aufgegriffen. So wird das Antifa-Opfer Raddatz flugs selbst zur Antifa. Er, der dem Islam ein Freund-Feind-Denken vorwirft, verfällt ohne es zu bemerken selbst in ein totalitäres Denkschema. Und Kritik erträgt ein solches Denken nun einmal nicht. So verkündet Raddatz in der Schweizer Zeitung Weltwoche: "Dennoch werden meine Bücher positiv besprochen, was darauf hindeutet, daß die Intellektuellenszene insgesamt noch intakt ist." Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß er, der sich selbst bar jeder Bescheidenheit als "Elder Statesman der Orientalistik" betitelt, Kritikern seiner Ansichten den Intellekt abspricht. Hans-Peter Raddatz wird sich allerdings auch von der Kritik an seinen Thesen nicht daran hindern lassen, ein neues Buch zum altbewährten Thema zu verfassen, wieder einen "neuen Raddatz" eben.

Hans-Peter Raddatz:: Allahs Frauen. Djihad zwischen Scharia und Demokratie. Herbig Verlag, München 2005, 280 Seiten, gebunden, 19,90 Euro


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