© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/05 21. Oktober 2005

"Endlich wieder echt freiheitliche Politik"
Interview: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache über den provokanten Wahlkampf in Wien, die Zukunft seiner Partei und die der EU
Michael Howanietz

Herr Strache, bei den Landtagswahlen in der Steiermark landete Ihre FPÖ mit 4,6 Prozent hinter KPÖ und Grünen. Sie sind dort nun nicht mehr in der Landesregierung und auch nicht einmal mehr im Landtag vertreten. Im Burgenland wurden die Freiheitlichen mit 5,8 Prozent mehr als halbiert. Sie sind dort wie die Grünen nur noch mit zwei Abgeordneten präsent. Das sind keine vielversprechenden Trends für die Wiener Gemeinderatswahl am 23. Oktober, wo Sie als FPÖ-Spitzenkandidat antreten?

Strache: Wir befinden uns inmitten einer enormen Wählerrückholaktion. Nach dem Verrat und der BZÖ-Abspaltung von Jörg Haider & Co. waren wir am Boden und bei rund zwei Prozent in den Umfragen. Heute, wenige Monate danach, liegen wir bundesweit stabil über fünf Prozent sowie bei zehn Prozent in Wien. Tendenz überall steigend. Aus heutiger Sicht sind wir froh über diese Abspaltung. Endlich können wir wieder echt freiheitliche Politik machen. Das spüren die Menschen auch. Und unterstützen uns in zunehmendem Ausmaß.

Zerstörungsversuch durch Jörg Haider

In Wien können SPÖ und Grüne zusammen in Umfragen mit über zwei Drittel der Stimmen rechnen, die FPÖ mit nicht mal der Hälfte der 20 Prozent von 2001.

Strache: Daß SPÖ und teilweise die Grünen bei den vergangenen Wahlen zulegen konnten, liegt weniger daran, daß diese so hervorragende Konzepte für die Zukunft haben, sondern eher an der Unfähigkeit der ÖVP und auch am Zerstörungsversuch des "dritten Lagers" durch Jörg Haider. Ich will jetzt nicht noch einmal die gesamte Spaltungsgeschichte des Kärntner Politclowns durchkauen, aber eines ist unbestritten: Hätte sich im Jahr 2000, bei Eintritt der FPÖ in die Bundesregierung, die ehemals blaue Mannschaft nicht derart schlecht verkauft, dann wäre die gesamte Geschichte anders verlaufen. Die FPÖ, die ich im April von Haiders Schwester (Sozialministerin Ursula Haubner) übernommen habe, war nur noch Konkursmasse. In den Umfragen lagen wir bei zwei Prozent, also weit jenseits der parlamentarischen Hürden. Der Weg zurück ist hart! Aber er ist notwendig für Österreich und die Rechte in Europa. Daher ist es mir ein persönliches Bedürfnis, ihn zu gehen.

Im laufenden Wahlkampf attackieren Sie vor allem den Wiener Bürgermeister Michael Häupl. Sie fordern den populären Sozialdemokraten zum "Duell um Wien" heraus. Warum ist er Ihr Hauptgegner?

Strache: Wien hat die höchste Arbeitslosigkeit von ganz Österreich. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger explodiert. Die Sozialpolitik Häupls hat versagt, die Teuerungsrate im kommunalen Bereich ist enorm. Auch im Sicherheitsbereich setzt die Gemeindepolitik Häupls keine Akzente. Die Kriminalität steigt und steigt. Zu einem Gutteil dafür verantwortlich: die offenen EU-Grenzen sowie der organisierte Asylmißbrauch. Das bringt mich zu einem zentralen Punkt unserer Wahlauseinandersetzung: Die Stadt verliert ihren ursprünglichen Charakter. Immer mehr Wiener fühlen sich als Fremde in der eigenen Heimat. Daher auch unser Wahlspruch, als Kontrapunkt zu Häupl: "Der echte Wiener darf nicht untergehen!"

Mit welchem Stimmenanteil rechnen Sie?

Strache: Prozentwerte allein sind nicht ausschlaggebend. Wenn man die richtigen Themen ohne Tabus anspricht, gewinnt man die Bevölkerung. Wir haben es nach der BZÖ-Abspaltung der Regierungsmannschaft in kurzer Zeit geschafft, unseren Stimmenanteil zu verdoppeln, von knapp fünf auf nun zehn Prozent. Unser Ziel: mit einer satten Zweistelligkeit die Interessen der Inländer in dieser Stadt vertreten.

Wer sich nicht integriert, soll wieder heimfahren

Sie lassen im Wiener Wahlkampf Botschaften wie "Deutsch! Statt 'Nix verstehen!'" plakatieren. Die anderen Parteien werfen Ihnen Ausländerfeindlichkeit vor.

Strache: Viele Menschen sprechen mich im Wahlkampf an und zeigen sich erfreut, daß endlich wieder eine Partei diese Themen aufgreift. In Wien verschenkt die Bürgermeisterpartei die Staatsbürgerschaften, um an neue Wählerstimmen heranzukommen. Das führt zu dem Kuriosum, daß Neueingebürgerte beim Arzt oder bei der Behörde einen Übersetzer benötigen. Unsere Forderung: Wer sich nicht integriert bzw. Deutsch lernt, soll wieder heimfahren.

Sie benutzten mehrfach den Begriff "Minus-Zuwanderung" und meinen damit die faktische Rückübersiedlung von beispielsweise straffällig gewordenen Zuwanderern in ihre Herkunftsländer. Wie soll das praktisch vor sich gehen?

Strache: Österreich hat schon jetzt gezeigt, daß solche Modelle funktionieren können. Das Justizministerium hat mit Rumänien dahingehend verhandelt, daß Österreich ein Gefängnis nach westlichen Standards in Rumänien bauen kann. Damit soll gesichert werden, daß rumänische Häftlinge ihre Haft im Heimatland antreten können. Das kostet unsere Bevölkerung wesentlich weniger als wenn wir Straftäter hier durchfüttern müßten. Dieses Modell kann aber nur ein erster Schritt sein. Genauso plädiere ich seit Jahren dafür, daß Asylwerber außerhalb der Wohngebiete etwa in Kasernensiedlungen untergebracht werden. Damit wäre auch sichergestellt, daß die Kriminalität nicht weiter explodiert, weil ja mittlerweile eindrucksvoll bewiesen wurde, daß gerade im Bereich der Asylwerber die Kriminalität exorbitant hoch ist.

Als FPÖ-Bundesobmann, der die "deutsche Kulturnation" als Heimatbegriff anerkennt, müssen Sie auch über die Landesgrenzen blicken. Wie beurteilen sie das Ergebnis der Bundestagswahl, bei der Rot-Rot-Grün über 51 Prozent erreichte?

Strache: Die deutsche Bundestagswahl hat für mich gezeigt, daß sowohl SPD als auch die CDU/CSU zwei völlig unbewegliche Systemblockparteien sind, die nicht fähig sind, auf die aktuellen Probleme der Menschen einzugehen und diese zu lösen. Das zeigt sich auch an der Wahlbeteiligung. So gesehen stellt sich für mich die berechtigte Frage, in welche Richtung das Parteiensystem in Zukunft gehen wird. Die ideologisierte Linke arbeitet ja schon recht lange an ihrem Modell der Zivilgesellschaft. Das ist nicht nur gefährlich, es öffnet auch dem politischen Lobbyismus Tür und Tor. Auch ich wüßte deshalb nicht, welche Partei ich - so ich denn wahlberechtigt wäre - bei den deutschen Bundestagswahlen wählen sollte.

Sozialpolitisch durchaus Parallelen mit der "Linken"

In Deutschland scheint sich auf Bundesebene ein Fünf-Parteiensystem zu etablieren - allerdings nicht durch eine "deutsche FPÖ", wie 2001 noch spekuliert wurde, sondern durch die Linkspartei. Hätte eine "deutsche FPÖ" bei den Bundestagswahlen dennoch Chancen gehabt?

Strache: Es ist nicht leicht, diese Frage zu beantworten, da die FPÖ seit dem Jahr 2000 weit unter ihrem Wert geschlagen wird. Ich bin davon überzeugt, daß eine national-freiheitliche Partei in Österreich ein Potential von rund 15 bis 20 Prozent hat. Das parteipolitische Spektrum in der Bundesrepublik Deutschland ist etwas anders gelagert als in Österreich. Die FPÖ versteht sich ja auch als Partei des Brückenschlags zwischen national-konservativ und sozial. Wir sehen in vielen Bereichen - etwa sozialpolitisch - durchaus Parallelen mit der "Linken" und wenn ich mir den unreflektierten "Pro-USA-Kurs" der CDU/CSU ansehe, wird mir wirklich übel. Bis heute hat mir noch niemand erklären können, was ein deutscher Soldat in Afghanistan zu tun hat. Aber ich denke, daß es auch in der Bundesrepublik Deutschland eine Partei rechts der CDU/CSU geben kann. Diese hätte nicht nur ihre Existenzberechtigung, sondern wäre mit Sicherheit auch parlamentarisch vertreten.

Die FPÖ fährt, seit Sie an der Parteispitze stehen, wieder einen strikt EU-kritischen Kurs. Ist selbst ein EU-Austritt ist für Sie denkbar?

Strache: Diese EU ist ein Frankensteingebilde, ein geldverschlingender Moloch, der schon lange keine Akzeptanz in der Bevölkerung mehr hat. Wenn weiterhin von Österreich verlangt wird, als Nettozahler einen Gutteil der Brüsseler Sinnlosausgaben zu finanzieren, wird der Finanzminister irgendwann "Stop!" sagen müssen. Die Forderung nach höheren Beiträgen kann ja wohl nicht damit kompensiert werden, daß man uns dafür die Türkei als Mitglied aufs Auge drückt! Irgendwann hat auch "das goldene Wienerherz" genug. Außerdem denke ich, wir stehen ganz knapp vor einem finanziellen Kollaps! Spätestens dann wird klar sein, daß es so nicht mehr weitergehen kann.

Wie soll es weitergehen?

Strache: Ich denke, daß diese EU innerhalb der europäischen Völker auf wenig Gegenliebe stößt. In Österreich ist das nicht anders. Es wäre jedoch sehr billig und naiv, wenn wir jetzt sagen, wir treten aus, lassen den Euro hinter uns und drehen die Zeit einfach zurück. So wird es auch nicht gehen. Allerdings bin ich der Ansicht, daß es nur eine Initialzündung eines Staates geben müßte - etwa Frankreich - und man sich in weiterer Folge ernsthafte Gedanken für eine "Post-EU-Zeit" machen sollte.

Angesichts der 1,7 Prozent des BZÖ in der Steiermark wird von dessen Funktionären und in den Medien über eine "Wiedervereinigung von FPÖ und BZÖ" gesprochen. Ist das aus Ihrer Sicht denkbar?

Strache: Eine Wiedervereinigung ist undenkbar. Heute, morgen oder übermorgen. Genauso absurd wäre es, wenn wir uns mit den Kommunisten vereinten. Das BZÖ betreibt eine Politik, bei der die Spitzenfunktionäre auf türkischen Hochzeiten herumtanzen und die Homo-Ehe fordern. Wir wollen prinzipiell nichts mit politischen Verrätern zu tun haben. Und bei diesen Inhalten erst recht nicht. Michael Howanietz

 

Heinz-Christian Strache wurde 1969 in Wien geboren. Seine politische Karriere begann 1991 als FPÖ-Bezirksrat in Wien, später stieg er zum Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) in Wien auf. 2001 wurde er Vize-Klubobmann der FPÖ im Wiener Landtag. 2004 löste er Hilmar Kabas als Landesparteiobmann der FPÖ-Wien ab. Als Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider mit einigen Bundesministern und Führungskräften das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gründet und die FPÖ verläßt, bleibt der einstige "Haider-Fan" bei den Freiheitlichen. Beim FPÖ-Parteitag am 23. April 2005 wurde Strache zum Bundesparteiobmann gewählt. Er ist von Beruf Zahntechniker, verheiratet und hat vier Kinder.

Foto: FPÖ-Chef Strache im Wahlkampf: "Partei des Brückenschlags zwischen national-konservativ und sozial"

 

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