© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/05 14. Oktober 2005

Zwei Welten
Single und Familienvater
Ellen Kositza

In Zeiten wie diesen, wo das Einschlagen eines vorgezeichneten, weil durch Generationen tradierten Lebensweges nicht mehr als Normalfall gewertet werden kann, wo das Dasein räumlich, beruflich und insgesamt existentiell einer individuellen Entscheidung und Gestaltung bedarf, kristallisieren sich gerade innerhalb der Generation "30 plus" zweierlei gefühlte Randgruppen heraus: die der Alleinstehenden und die der jungen Eltern.

Während die einen - gerade im Rahmen der Demographie- und Rentendebatten - unter dem Vorwurf zu leiden haben, infantile, bindungsunfähige Egoisten zu sein, und den entsprechenden Rechtfertigungsdruck und Missionierungseifer der gleichaltrigen Familiengründer erdulden müssen, klagen die anderen über Freizeit-, gesellschaftliche Aufmerksamkeits- und finanzielle Defizite. Und tatsächlich liegt zwischen ihnen eine tiefere Kluft als zwischen den Geschlechtern. Zu denjenigen, die diese doch stark unterschiedlich ausgeprägten Haben- und Soll-Seiten diverser Kategorien nicht verbiestert, sondern eher leichtfüßig nehmen, zählen Jochen-Martin Gutsch und Maxim Leo.

Beide sind Mitte Dreißig und füllen mit ihren in die Sparten "Single" (Gutsch) und "Family" (Leo) aufgeteilten Alltagsglossen eine wöchentliche Kolumne in der Berliner Zeitung. Nicht um direkte, thematisch gebundene Konfrontation geht es dabei, und doch ist der Kontrast beredt in diesen herzerfrischenden - weil frei von üblichen urbanen "coolness"-Allüren - Alltagsminiaturen. Während der eine meist mit platonischen Freundinnen in städtischer Szenerie ein Leben im Konjunktiv oder Geschichten aus zweiter Hand (meist: "Meret sagt, daß ...") referiert, berichtet der andere aus praller Gegenwart - sein Ich sind vier Personen, umfaßt nämlich Ehefrau und zwei Kinder. Um Putzfrauen geht es, um elterlichen Samstagnachtmittag-Sex. Geschichten aus dem Eingemachten eben. Das muß man nicht mögen, mag man wegen allzuviel Intimität sogar penetrant finden, das Publikum jedenfalls goutiert solche Heimgeschichten und fand sich bei der Vorstellung des Kolumnenbandes gleich hundertfach ein. 

Jochen-Martin Gutsch, Maxim Leo: Single. Family. Zwei Männer. Zwei Welten. 66 wahre Geschichten. Herder Verlag, Freiburg 2005, 155 Seiten, gebunden, Abbildungen, 14,90 Euro


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