© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/05 14. Oktober 2005

Zweifelhaft
Bundeswehreinsatz in Afghanistan verlängert
Folkmar Koenigs

Der bisherige Bundestag hat am 28. September mit nur 14 Gegenstimmen der Vergrößerung des Kontingents der Bundeswehr in der internationalen Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) von 2.250 auf 3.000 Mann, der Erweiterung des Einsatzgebietes und der Verlängerung des Einsatzes um ein weiteres Jahr zugestimmt. Das Verteidigungsministerium schätzt die "einsatzbedingten Zusatzkosten" auf 318,8 Millionen Euro.

Man kann unterschiedlicher Ansicht darüber sein, ob die Mitwirkung an einer Uno-Aktion zur Sicherung von Frieden, Demokratie und Menschenrechten gerechtfertigt ist, auch wenn eigene Interessen nicht unmittelbar berührt sind. Denn die Auswahl der Staaten, gegen die sich eine solche Aktion richtet, wird oft nur von einer oder wenigen Führungsmächten getroffen, die dabei auch erhebliche eigene Interessen verfolgen. Auf jeden Fall sollten aber zwei Voraussetzungen erfüllt sein.

Erstens sollte die Aussicht auf einen Erfolg der Aktion in absehbarer Zeit in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken für die eingesetzten Soldaten und den Kosten stehen. Zweitens sollte der betreffende Staat über ausreichende Mittel verfügen, um Alte und Kranke auf einem der Menschenwürde entsprechenden Niveau zu versorgen und unverschuldet Armen nicht nur einen Lebensunterhalt an der untersten Grenze zu sichern.

Beide Voraussetzungen sind für den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan nicht erfüllt. Deutschland muß nicht "am Hindukusch verteidigt werden", wie Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) meint. Die Erfolgsaussichten der Isaf sind aufgrund der Verhältnisse in Afghanistan bei nur 9.000 Isaf-Soldaten für ein Land von beinahe der doppelten Größe Deutschlands sehr gering. Die für einen möglichen Erfolg notwendige Einsatzzeit wird auf mindestens zehn bis 15 Jahre geschätzt. Das Risiko für die deutschen Soldaten ist erheblich; denn der Norden Afghanistans ist das Hauptanbaugebiet für Mohn - Ausgangsstoff für Rohopium und Heroin.

Der Mohnanbau ist die Haupterwerbsquelle der Bauern - und Milliarden-Einnahmequelle von "Warlords" und Rauschgifthändlern. Zwar sind für die Drogenbekämpfung allein die afghanischen Behörden zuständig, die Bundeswehr soll aber die einheimische Verwaltung unterstützen. Wenn die Polizei tatsächlich tätig werden sollte, wird der zu erwartende massive Widerstand der örtlichen Kriegsherren und Drogenbarone sowie der Bauern sich auch gegen die Bundeswehr richten. Der Isaf-Einsatz in Afghanistan ist zwar ein Beitrag zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, aber von nur sehr begrenzter Wirkung; denn Unterstützer und mögliche Täter leben in einer Vielzahl von Ländern, und es gibt auch genug Länder, in denen der internationale Terrorismus neue Ausbildungslager einrichten kann.

Auch die zweite Voraussetzung ist nicht erfüllt. Bekanntlich ist hierzulande die Versorgung alter Menschen in vielen Heimen aus Mangel an Personal und Geld absolut ungenügend. Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe liegen an der untersten Grenze des Existenzminimums.

Auch die anderen Einsätze der Bundeswehr in Bosnien, im Kosovo oder am Horn von Afrika (insgesamt 6.300 Soldaten in acht Auslandsmissionen, "einsatzbedingte Zusatzkosten" 2005 etwa 560 Millionen Euro) sollten überprüft werden - nach obigen Kriterien und insbesondere auf Aussicht auf Erfolg in absehbarer Zeit.

 

Prof. Dr. Folkmar Koenigs lehrte Handels- und Wirtschaftsrecht an der Technischen Universität Berlin.


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