© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/05 14. Oktober 2005

"Wir wollen stolz machen"
Andreas Fritzenkötter, Sprecher des Bauer Verlages und ehemals Berater von Helmut Kohl, über die Aktion "Du bist Deutschland"
Moritz Schwarz

Herr Fritzenkötter, die Kampagne "Du bist Deutschland" zielt auf die Motivierung eines - neuen? - Patriotismus. Manche Kritiker würden das für einen etwas "angestaubten" Lösungsansatz halten.

Fritzenkötter: Die Kampagne zielt keineswegs auf einen neuen Patriotismus, sondern will die einzelnen Menschen in diesem Lande selbstbewußter machen und zu mehr Eingeninitiative motivieren.

"Du bist Deutschland" ist aber doch eine Aufforderung, sich mit dem Land zu identifizieren.

Fritzenkötter: Das ist richtig. Denn weil das Land beziehungsweise unsere Gesellschaft vom Engagement jedes einzelnen abhängen, soll die Kampagne die Menschen nicht nur motivieren, sondern auch stolz auf dieses Land machen. Das betrachte ich aber nicht als "angestaubt", sondern halte dieses Ansinnen für ausgesprochen aktuell.

Wie kommen Sie darauf?

Fritzenkötter: Weil die jungen Leute heute mehr denn je stolz auf das sind, was wir in diesem Land erreicht haben. Ich finde es gut, daß Vaterlandsliebe im besten Sinne wieder eine gewisse Rolle spielt, gerade in Anbetracht von Herausforderungen wie Globalisierung oder europäischer Einigung.

Welche Beziehung sehen Sie da?

Fritzenkötter: Patriotismus gibt den Menschen ein Gefühl von Selbstvertrauen und Sicherheit. Auf dieser Grundlage können wir den Leuten die Ängste vor der Globalisierung und der europäischen Einigung nehmen.

Also ein Patriotismus, der quasi helfen soll, das Nationale zu überwinden?

Fritzenkötter: Wenn Sie so wollen, ja. Wobei dies ganz sicher nicht das Hauptziel unserer Kampagne ist.

"Du bist Deutschland" verzichtet explizit darauf, politische Forderungen zu stellen. Ist damit Ihre Kampagen nicht viel zu diffus, um etwas zu bewirken?

Fritzenkötter: Richtig ist, daß wir uns fernhalten von jeder Art von Parteipolitik. Wir wollen die Leute aus der Situation herausholen, sich ohnmächtig zu fühlen und ständig nur auf die Politik zu starren. Wir wollen ihnen das Gefühl geben, daß sie selbst auch etwas tun können. Insofern ist das Profil genau richtig, weil es einen Spielraum läßt, in dem sich jeder angesprochen fühlen kann, egal welcher politischen Couleur er sich zugehörig fühlt - ob er sich überhaupt mit irgendeiner Partei identifiziert - oder wie er zu bestimmten politischen Streitfragen steht.

"Jeder einzelne kann etwas unternehmen - auch Du!"

Kann man daraus auf ein Versagen der Politik schließen?

Fritzenkötter: Leider ist es so, daß es die politische Kommunikation in den letzten Jahren nicht geschafft hat, die Menschen für die großen politischen Ziele zu begeistern, sie "mitzunehmen". Vielmehr haben sie angesichts immer größerer Herausforderungen immer weniger Vertrauen.

Woher rührt dieses Versagen?

Fritzenkötter: Der Politik gelingt es nicht mehr, die notwendigen Zusammenhänge zu kommunizieren und die großen Ziele aufzuzeigen. Folge: Ein Vertrauensverlust der Bürger gegenüber Politik, die immer nur fordert, und gegenüber der Reformfähigkeit des Landes. Wir dürfen den Leuten nicht nur sagen, daß es Einschnitte gibt, wie das die Politik seit Beginn der Reformpolitik getan hat, sondern auch, warum. Schlagworte wie "Hartz IV" oder "Agenda 2010" für den Reformprozeß sind Begriffe, die einfach nur abschrecken, die nichts erklären, sondern eher verstellen, um was es eigentlich geht. Das ist zum Beispiel das Kommunikationsproblem der Politik.

Und das wollen Sie nun lösen?

Fritzenkötter: Nein, das ist nicht unsere Aufgabe. Wir wollen den Menschen sagen, daß Deutschland nicht nur aus Politikern und Wählern besteht, sondern auch aus Bürgern, aus einzelnen Menschen, und daß jeder einzelne - auch Du! - etwas unternehmen kann.

Wir haben über Ihre Ziele und Motive gesprochen, woher aber kam die Idee für die Kampagne?

Fritzenkötter: Die haben wir aus unserer "täglichen Arbeit" als Medienunternehmen übernommen, da sind Image- und Motivationskampagnen nichts Neues. Auch in der Politik gibt es so etwas ja bereits. Neu ist allerdings die große Zahl an unterstützenden Unternehmen und einzelnen Personen. Dies führt zu einer einmalig hohen Anzahl an Kontakten, die unsere Kampagne erreicht.

Es gibt doch bereits zahlreiche andere ähnliche Initiativen.

Fritzenkötter: Anders als etwa der Bürger-Konvent oder der Konvent für Deutschland stellt "Du bist Deutschland" - wie gesagt - keine politischen Forderungen. Wir haben den Start der Kampagne sogar extra wegen der vorgezogenen Bundestagswahl verschoben, um uns nicht im Wahlkampf dem Vorwurf auszusetzen, wir spielten der einen oder der anderen Seite in die Hände.

Betrachten Sie die anderen Kampagnen als Konkurrenz?

Fritzenkötter: Nein, eher als Ergänzung.

Kann man denn überhaupt mit einer reinen Medien-Kampagne die Menschen "bewegen"?

Fritzenkötter: Ich glaube schon, weil es um Emotionen geht. Natürlich können wir nicht die Alltagsprobleme der Menschen lösen. Aber wir können sie motivieren, anders mit diesen Problemen umzugehen.

Über Werbung werden die Menschen als Konsumenten angesprochen. Befürchten Sie nicht, daß gerade die Wahl dieser Methode genau den Effekt, den Sie hervorzurufen wünschen, zerstört: Am Ende konsumieren die Zuschauer den Appell lediglich - mit Wohlwollen, aber ohne Konsequenzen zu ziehen.

Fritzenkötter: Diese Gefahr besteht natürlich grundsätzlich bei jeder Medienkampagne, aber ich glaube, daß die Kombination aus Anregen zum Nachdenken und emotionaler Mobilisierung durchaus dazu beitragen kann, die Menschen zu "bewegen" und die Stimmung im Lande zu verändern.

Müßte die Kampagne, um zu wirken, nicht von praktischen Elementen begleitet werden, um die "Schicksalsgemeinschaft", wie Wolfgang Schäuble das nennen würde, "erlebbar" zu machen?

Fritzenkötter: Wie stellen Sie sich das vor? Wir wollen - wie gesagt - die Menschen motivieren und zum Nachdenken bringen. Vom Sofa aufstehen muß letztendlich jeder selbst. Und die Politik muß es verstehen, das Engagement der Menschen in praktische Gestaltung umzuwandeln. Das kann und soll eine Medienkampagne nicht leisten. Erst recht nicht, wenn sie über politischen Entscheidungsfragen steht.

Stolz verweist "Du bist Deutschland" auf die zahlreichen Mediengrößen, die die Kampagne unterstützen, wie Günter Jauch oder Harald Schmidt. Widerspricht das nicht Ihrem Konzept, die Aufmerksamkeit gerade nicht auf Leitbilder zu lenken, sondern zu vermitteln, daß es auf jeden einzelnen "Durchschnittsbürger" ankommt?

Fritzenkötter: Nein, denn Menschen brauchen Vorbilder, um selbst aktiv zu werden. Deshalb haben wir auch eine solche Vielzahl von Prominenten eingesetzt: Jeder soll jemanden entdecken, den er als sympathisch und vorbildhaft empfindet.

In Ihrem Fernsehspot sind auch einfache Menschen zu sehen, etwa Arbeiter oder spielende Kinder. Es fehlen allerdings zum Beispiel Soldaten oder Polizisten. Dabei sind es doch gerade diese, die in ihrem Beruf am ehesten den Ethos der Verantwortung für das Land zeigen.

Fritzenkötter: Andere Berufsgruppen - zum Beispiel Ärzte, Krankenschwestern, THW-Helfer, Feuerwehrleute, die sehr viel für das Land und seine Bürger tun - sind auch nicht genannt. Ganz sicher haben wir nichts gegen Polizisten und Soldaten, aber ich könnte mir vorstellen, daß man auf Uniformträger verzichten wollte, um nicht zu polarisieren.

"Das tolerante Deutschland von heute darstellen"

Ganz so unpolitisch ist Ihr Spot dann aber doch nicht: Anklänge an die linksextreme Antifaschistische Aktion werden da inszeniert. Oder es treten Mitglieder der sehr weit links stehenden Formation Brothers Keepers auf, die sonst postulieren: "Wir reichen Fäuste und keine Hände."

Fritzenkötter: Sicher kann über manchen Auftritt diskutiert werden. Denken Sie doch nur zum Beispiel an die Diskussionen innerhalb der Musikszene über Texte der Rap-Musik. Dennoch haben wir uns entschieden, solche Elemente aufzunehmen, weil sie eine gewisse Jugendkultur repräsentieren.

Das ist das nächste Stichwort: Ebenfalls zu sehen ist der Rapper Kool Savas, der sonst gern Texte präsentiert wie "Lutsch meinen Schwanz". Ist "Du bist Deutschland" jedes Mittel recht?

Fritzenkötter: Ich nehme an, daß dieser Musiker aufgrund seines positiven Identifikationspotentials bei Jugendlichen ausgewählt worden ist. Ob den Verantwortlichen bekannt ist, daß der Mann sonst solche Texte verbreitet, weiß ich nicht. Grundsätzlich aber gilt natürlich für "Du bist Deutschland", die Regeln des allgemeinen Anstandes nicht zu überschreiten.

Ein Behinderter, ein Homosexueller und ein Farbiger sind im Holocaust-Mahnmal stehend zu sehen und rufen: "Du bist Deutschland!" Was genau will man uns damit sagen?

Fritzenkötter: Natürlich besteht - wie zu Beginn auch bei Ihnen - die Gefahr, daß die Kampagne auf das Thema Patriotismus verengt wird. Diesem Vorwurf und der Gefahr, daß dann eine Verbindung zu "alten Zeiten" hergestellt wird, sind wir so zuvorgekommen. Ich persönlich finde gerade diese Szene sehr gut, weil sie treffend das tolerante Deutschland von heute darstellt, das zu seiner Vergangenheit steht.

Sie wollen gute Stimmung verbreiten und zeigen ein Erinnerungssymbol für einen Massenmord?

Fritzenkötter: Unser Anspruch ist, die ganze deutsche Gesellschaft zusammenzuführen, und da wollen wir die Geschichte nicht aussparen. Ebensowenig wie wir den Anschein erwecken wollen, es ginge uns um eine Rückkehr hin zu nationalen "Werten".

Das Holocaust-Mahnmal als Bremsklotz für einen gezügelten Patriotismus?

Fritzenkötter: Nein, kein Bremsklotz, aber Einbindung der Mahnung und der Erinnerung.

Ansonsten gibt es allerdings keinerlei Vergangenheit in Ihrer Kampagne. Sie verweisen visuell nicht auf positive Momente der deutschen Geschichte wie etwa den Wiederaufbau, die Fußballweltmeisterschaft von 1954 oder den Mauerfall.

Fritzenkötter: Weil wir keine National-Kampagne machen. Es geht zuerst um die Menschen, die unseren Staat, unsere Gemeinschaft bilden. Der einzelne soll sich aufraffen und zusammen mit den anderen die Summe bilden.

Während es im Text des Spots immerhin heißt, "Du schwingst (Deine) Fahne" und "Schon einmal haben wir eine Mauer niedergerissen", ist von Fahnen, Schwarz-Rot-Gold oder Symbolen wie dem Brandenburger Tor nichts zu sehen.

Fritzenkötter: Ich muß noch einmal wiederholen: Wir haben einen ganz bestimmten Ansatz. Dieser ist nicht politisch, weder in Gestalt eines nationalen Patriotismus noch in Gestalt einer Werbung für den Staat. Es geht uns um den einzelnen Menschen!

Der Medienkritiker Norbert Bolz bemängelt: "Was diese Kampagne verkennt, ist, was die Menschen wirklich fasziniert ... zum Beispiel die Härte der D-Mark oder daß wir irgendwann einmal gut Fußball gespielt haben ... Optimismus ist nicht das Resultat von Marketingentscheidungen."

Fritzenkötter: Das kann man so sehen, greift aber zu kurz. Denn auch die D-Mark oder guter Fußball sind Menschenwerk. Menschen identifizieren sich auch über andere Menschen, über Vorbilder. Die D-Mark ist das Werk vorbildhafter Politiker, der gute Fußball des Ergebnis der hervorragenden Leistungen guter Spieler. Und aktuelle Vorbilder zeigen wir in der Kampagne reichlich.

"Fortsetzung der Kampagne? - Durchaus möglich"

Wie messen Sie eigentlich den Erfolg der Kampagne?

Fritzenkötter: Das ist das große Problem bei jeder Kampagne, die kein reales Produkt verkauft und in Erlösen gemessen werden kann. Wir werden uns sicherlich nach dem Ende der Kampagne zusammensetzen und die Resultate reflektieren.

Ist mit Ablauf der Kampagne "alles erledigt", oder muß sie wiederholt, vielleicht sogar institutionalisiert werden?

Fritzenkötter: Das ist durchaus möglich, aber bislang nicht geplant. Auch darüber werden wir nach Abschluß sprechen.

Wird die Politik die von Ihnen intendierte Lektion aus der Kampagne lernen?

Fritzenkötter: Ich kann es ihr nur empfehlen. Denn zu welchem Resultat es führt, an den Menschen vorbei zu kommunizieren, haben wir am Wahlabend alle erlebt. - Fragen Sie mich jetzt aber nicht nach konkreten Empfehlungen an die Adresse der Politik! Die habe ich zwar persönlich, aber als Vertreter einer der "Du bist Deutschland" unterstützenden Firmen werde ich sie nicht äußern. Sonst würde ich genau das tun, was wir zu vermeiden versuchen - nämlich politisch zu polarisieren. Wir aber wollen eine Kampagne, von der sich alle Menschen angesprochen fühlen können.

 

Andreas Fritzenkötter ist Leiter der Unternehmenskommunikation des Heinrich Bauer Verlages in Hamburg, eines Trägers der Initiative "Du bist Deutschland". Der ehemalige Journalist war von 1989 bis 1991 Parteisprecher der CDU, dann bis 1995 Medienberater von Helmut Kohl und bis 1998 Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Medienpolitik im Bundeskanzleramt. Geboren wurde er 1958 in Gütersloh.

"Du bist Deutschland" will von September 2005 bis Januar 2006 einen "Impuls setzen für mehr Selbstvertrauen und Motivation" in Deutschland. Die unabhängige Initiative wird von 24 Unternehmen vor allem aus der Medienbranche getragen. Dazu gehören zum Beispiel: Bertelsmann, Burda, Springer, ARD, ZDF, RTL, die FAZ, der Spiegel, aber auch die Bäckereikette Kamps. Mit einem Budget von 30 Millionen Euro schaltet "die größte Sozial-Marketing-Kampagne Deutschlands" Anzeigen in 21 Zeitungen und 40 Zeitschriften, Werbespots laufen auf elf Fernsehsendern und in 1.800 Kinos. 2.300 Plakate werden geklebt, und mehr als 30 Prominente aus Gesellschaft, Kultur und Sport unterstützen die Aktion.

Kontakt und Informationen: Tucholskystr. 18, 10117 Berlin, Telefon: 030 / 72 61 46 735, www.du-bist-deutschland.de 

"Du bist Deutschland"-Anzeige: "Kein nationaler Patriotismus, keine nationalen 'Werte' - es geht uns um die Menschen"

 

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