© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/05 07. Oktober 2005

CD: Independent
Stecker raus
Michael Insel

Als Schlagzeuger Nick Jago vor einem guten Jahr seiner Band mitten in der Tournee den Rücken kehrte, glaubte niemand daran, daß das Westküsten-Trio Black Rebel Motorcycle Club jemals wieder zusammen auf der Bühne stehen, geschweige denn eine neue Platte aufnehmen würde. So war es eine erfreuliche Überraschung, daß auf der Hülle von "Howl", Ende August beim Label Echo erschienen (Virgin hatte die Band nach Jagos Abgang fallenlassen), alle drei wieder - wenn nicht friedlich, so doch in gewohnt cooler Pose - vereinigt zu sehen sind. Zwar erfolgte Jagos reumütige Rückkehr zu spät, um seinen Kollegen Peter Hayes und Robert Levon Been bei mehr als einer Nummer zur Seite zu stehen, doch ein Stück ist besser als gar keins - erst recht ein so gelungenes wie die Pianoballade "Promise".

Im nachhinein erweisen sich Jagos beklagenswerte Arbeitsmoral und sein plötzlicher Abschied geradezu als Glücksfall für die Band, die sich nach den ersten zwei Alben der Kritik ausgesetzt sahen, musikalischen Tiefgang vermissen zu lassen. Tatsächlich hatte der BRMC seinen Sound seit dem gleichnamigen Debütalbum 2001 nicht wesentlich weiterentwickelt. Sein Markenzeichen waren harte Gitarrenriffs und Fuzz-Feedback, die an britische Psych-Beat-Bands wie die Jesus and Mary Chain und Ride erinnern. Nun hat der innere Aufruhr hörbar einen Aufbruch in neue akustische Gefilde gezeitigt. Auf "Howl" zieht der BRMC den Stecker raus und wendet sich den Wurzeln seiner Musik, dem Blues, zu: eine Reise entlang der einsamen Landstraße ins Americana- Herzland.

Der Opener "Shuffle Your Feet" mit seiner ausgelassenen Partystimmung dreht allen Miesmachern eine lange Nase. Begleitet von Mundharmonika und Tamburin wird hier wieder in die Hände gespuckt oder jedenfalls: geklatscht, daß es eine Lust ist. So klänge es, wenn Buddy Holly irgendwo im Bayou mit den Rolling Stones eine Jam-Session veranstaltet hätte! Doch ehe das Treiben zu bunt wird, befällt uns im erdigen "Devil's Waitin'" Fernweh - jener Streuner am Horizont, ist das nicht Woody Guthrie? Um sich anschließend den Straßenstaub wieder aus den Haaren zu schütteln, kommt die wilde Blues-Nummer "Ain't No Easy Way" mit forscher Slide-Gitarre gerade recht.

Die schlichte, doch im wahrsten Wortsinne unheimlich schöne Ballade "Fault Line" führt wieder zum Ausgangspunkt der ganz und gar nicht beschwerlichen Reise zurück. Wo einem früher im Donnerwetter der E-Gitarren-Verzerrung Hören und Sehen verging, gibt es nun eine so vielschichtige wie einfallsreiche Instrumentierung und Experimente mit verschiedensten Musikstilen zu bewundern, ohne daß die Band dadurch an Energie eingebüßt hätte. Selbst schnörkellose Stücke wie "Devil's Waitin'" oder "Restless Sinner" klingen kraftvoll.

Wenn eine zeitgenössische Band sich so unüberhörbar von einem reichhaltigen musikalischen Erbe inspirieren läßt, beginnt man unwillkürlich Vergleiche mit anderen Künstlern zu ziehen. Dieser Platte, die ihren Titel dem wohl bekanntesten Gedicht des Beat-Gurus Allen Ginsberg entlehnt, standen Bob Dylan, The Band, The Beatles, Led Zeppelin Pate, doch versteht der BRMC es, sich von diesen Einflüssen nicht überwältigen zu lassen. Indem er sie zu einem unverkennbar eigenen Sound verarbeitete, hat er das beste Album seiner turbulenten Karriere geschaffen. Manche Liebhaber der beiden vorangegangenen Scheiben mögen darin einen Rückschritt sehen - anderen wird "Howl" als Meilenstein auf dem Vormarsch in eine glorreiche Zukunft erscheinen.

Im Rahmen seiner Europatournee spielt der Black Rebel Motorcycle Club unter anderem in Frankfurt/Main (24.10.), München (25.10.), Köln (7.11.), Hamburg (9.11.) und Berlin (10.11.)


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