© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/05 07. Oktober 2005

Kapitel gestrichen
Pressefreiheit I: In der Druckversion des NRW-Verfassungsschutzberichtes taucht ein Kapitel über die JF nicht mehr auf
Hans-Peter Rissmann

Normalerweise erscheint der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen in einer Presseversion bereits Anfang April, als Druckversion rund ein bis zwei Monate später. In diesem Jahr erschien die Presseversion im Internet zwar auch Anfang April, doch es vergingen geschlagene fünf Monate, bis die Druckversion vorgelegt wurde, die an Schulen, Universitäten, Bibliotheken und Redaktionen Verbreitung findet.

Der Grund für diese Verzögerung: das von dieser Zeitung erstrittene Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 24. Mai (Az. 1 BvR 1072/01), nach dem die seit 1995 alljährlich praktizierte Erwähnung der JUNGEN FREIHEIT in den NRW-Verfassungsschutzberichten verfassungswidrig ist (JF 27/05). Mit ihrem höchstrichterlichen Spruch hoben die Karlsruher Richter Urteile des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf (1997) und Oberverwaltungsgerichtes Münster (2001) auf, die diese Praxis des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes für rechtens erklärt hatten.

Die Entscheidungen der beiden untergeordneten Instanzen verletzen nach Ansicht des Verfassungsgerichtes die JUNGE FREIHEIT in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit. Nun ist der Streit an das Verwaltungsgericht Düsseldorf zurückverwiesen und wird dort neu entschieden.

In der vor wenigen Tagen vorgelegten Druckversion des NRW-Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2004 findet sich jetzt erstmals kein Kapitel mehr über die JUNGE FREIHEIT. Das noch in der im April vorgestellten Presseversion enthaltene Kapitel wurde ersatzlos gestrichen. Statt dessen findet sich nach dem Vorwort und vor dem Kapitel "Rechtsextremismus" ein Abschnitt mit dem Titel "Themen im Fokus". Dort wird auf vollen vier Seiten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in Sachen JF referiert. Dies geschieht sogar weitgehend wertfrei und zutreffend.

Gleichwohl räumt das NRW-Innenministerium keine Fehler bei seiner bisherigen Praxis ein, entschuldigt sich nicht für die ein Jahrzehnt währende haltlose Verdächtigung einer unabhängigen Wochenzeitung, beharrt darauf, den Prozeß nicht etwa mit einem Vergleich zu beenden, sondern fortzuführen, und sieht einer Entscheidung der Verwaltungsgerichte "zuversichtlich" entgegen.

Das NRW-Innenministerium sucht eine Grundsatzentscheidung am Fall der JF, in der klar definiert wird, wie der Verfassungsschutz künftig in sogenannten "Verdachtsfällen" zu verfahren hat. Genügt es etwa, lediglich als "milderes Mittel" ein Extrakapitel mit "Verdachtsfällen" einzuführen, in das nicht "eindeutig extremistische" Beobachtungsobjekte einsortiert werden, oder ist die Berichterstattung über solche nicht erhärteten Fälle generell zu unterlassen?

Letzteres würde dem Innenminister die Möglichkeit nehmen, quasi nach parteipolitischem Gusto jede neugegründete Partei rechts der Union innerhalb kürzester Zeit wegen "tatsächlichen Anhaltspunkten für den Verdacht" in den Verfassungsschutzbericht aufzunehmen und damit als indiskutabel aus dem politischen Diskurs auszuschließen. So geschehen bei den rechtskonservativen Republikanern, denen bis heute "rechtsextremistische Bestrebungen" lediglich auf Verdacht attestiert werden.

Informationen: Die Druckversion des NRW-Verfassungsschutzberichtes 2004 kann kostenlos bezogen werden beim NRW-Innenministerium, Haroldstraße 5, 40213 Düsseldorf, Internet: www.im.nrw.de 


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen