© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/05 07. Oktober 2005

Immerhin hoch gepokert
von Peter Lattas

An Wien kamen die Türken nur schwer vorbei. Anders als 1683 marschieren sie diesmal aber an der Kaiserstadt vorbei und weiter nach Europa hinein. Wolfgang Schüssel ist eben kein Ernst Rüdiger von Starhemberg, und Verbündete hatte seine Regierung ja auch nicht. So gesehen ist es ein Verdienst, daß Österreich überhaupt so lange ausgehalten hat. Einer Angela Merkel hätte man ja nicht einmal soviel Widerstand zugetraut. Wien hat der EU immerhin die Blamage erspart, mit der islamisch-asiatischen Türkei früher in Beitrittsverhandlungen einzutreten als mit dem mitteleuropäisch-katholischen Kroatien. Sonst aber ist der 3. Oktober ein schwarzer Tag für Europa.

In EU-typischer Sturheit und Volksverachtung haben die Außenminister eine Weichenstellung vorgenommen, die von den europäischen Völkern mehrheitlich nicht gewünscht wird und die die Union sprengen könnte. Wie schon bei der Festsetzung dieses Termins hat Ankara sich massiver Erpressung bedient und sogar direkte Einmischung seiner US-Fürsprecher angefordert, deren strategischen Interessen der Türkei-Beitritt vor allem dient. Der vom Wiener Kanzler betonte Vorbehalt der Aufnahmefähigkeit wird vor diesem Druck verblassen. Bisher hätten Beitrittsverhandlungen noch jedesmal zur Vollmitgliedschaft geführt, trumpfte der grüne EU-Abgeordnete Cem Özdemir auf. Wenigstens soll es vorher noch Plebiszite in Frankreich und Österreich geben. Am Ende müssen die Völker wieder selbst aussprechen, wozu ihre Regierungen zu feige waren. Es wäre wünschenswert, wenn dabei endlich auch die Deutschen mitreden dürften.


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