© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/05 30. September 2005

CD: Rock
Aus einem Guß
Holger Stürenburg

In den nunmehr über 28 Jahren ihres Bestehens veröffentlichte die kanadische Rockband Saga etwa 20 durchweg hörenswerte Alben - knackiger Melodic Rock ohne Mätzchen, getragen von sphärischen, breitflächigen Keyboardorgien genauso wie von aufpeitschenden, abgehackten Gitarrenmelodien -, die vom Gros der Musikkritiker zwar regelmäßig verrissen, von Zigtausenden Saga-Fans (die es, gerade hierzulande, auch heute noch gibt) jedoch gefeiert wurden. Ohrwürmer der Sorte "The Flyer" (1983), "What do I know?" (1985) oder "Only Time will tell" (1987) hielten sogar Einzug in die Singlehitparaden, Tourneen durch unsere Breitengrade konnten sich stets mit dem Prädikat "Ausverkauft" schmücken.

Inzwischen sind Sagas Zeiten in der ersten Liga des Rock'n'Roll natürlich längst vorüber. Dennoch reisen die vier mittlerweile über 50jährigen Musiker bis heute scheinbar pausenlos durch die Lande, absolvieren weiterhin umjubelte Konzerte auf der ganzen Welt und begeistern ihre Anhänger ein ums andere Mal mit unverwechselbaren Alben.

An diesem Freitag nun erscheint bei Steamhammer/SPV die 80minütige Doppel-CD "Chapters Live". Sie präsentiert erstmals in geordneter Reihenfolge komplett den Liederzyklus jener 16 bislang verstreuten, legendenumwobenen "Chapters" (dt. Kapitel), um deren Bedeutung die Band viele, viele Jahre lang ein regelrechtes Rätsel machte.

Den Auftakt auf der ersten CD bildet die ebenso stille wie hintergründig brodelnde Rock/Wave-Ballade "Images". In ausschweifenden, oft bis zu sechs, sieben Minuten langen Fassungen, die viel Raum für Improvisationen lassen, kommen vertrackte Mid-Tempo-Songs ("Tired World", "No Stranger") und nervöse, gehetzte Großstadtrocker ("It's Time") ebenso zum Tragen wie ungewohnt sanfte Klänge mit luftig-leichter Pianobegleitung und freundlich jazzigem Klarinettensolo ("No Regrets"), epische Artrock-Dramen ("Will it be you?") oder eingängige Pop/Rock-Hämmer zur guten Unterhaltung auf langen Autobahnfahrten ("Too much to lose").

Abgesehen von der keineswegs immer zufriedenstellenden Tonqualität bietet der Silberling eine Reise in die polarisierende Welt des unvergleichlichen "Sagaish Sound" der 1980er Jahre. Bedeutungsschwangere Keyboardkaskaden, mal dramatische, mal zickige Gitarrenexperimente, verquere Schlagzeugrhythmen und über alldem Michael Sadlers stets etwas aufgeregt, ängstlich, aufbrausend, dadurch aber auch besonders intensiv und ehrlich klingende Stimme sind genau jene feinschmeckenden Stilmittel, die ein Saga-Fan erwartet.

In wesentlich besserem Klang zelebriert der kanadische Rock-Vierer (der seit 2003 von Drummer Christian Simpson unterstützt wird) auf der zweiten Silberscheibe die - größtenteils erst in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren erschaffenen - restlichen "Chapters". Überkandidelte Rockhymnen wie "Remember then" oder "Uncle Alberts Eyes" wechseln sich ab mit knappen, beinahe romantischen Balladen ("Not this Way"), lautstarkem Saga-Rock der etwas härteren Gangart ("Ashes to Ashes"), nervenaufreibenden, geradezu hysterischen Szenerien ("You know, I know") und klassischem "Sagaish Sound" ("Streets of Gold") - also eine bunte Mischung dessen, was den Charme der Kanadier seit Beginn ihrer Karriere ausmacht.

Eingefleischte Saga-Liebhaber können dank "Chapters Live" nun endlich die in den einzelnen Kapiteln dargestellte Handlung an einem Stück nachvollziehen. Wem es vor allem um das Musikalische geht, der findet auf der Doppel-CD exquisite Rockstücke. Darüber hinaus belegt das Album, daß Saga immer noch zu den spielfreudigsten und erdigsten Bands der internationalen Rockszene gehört.


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