© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/05 30. September 2005

UMWELT
Räuberische Bioinvasoren
Michael Howanietz

Vögel stellen Nagern nach, Maus & Co. gehören zur begehrten Beute diverser Greifvögel. Nicht so auf der zwischen Südafrika und Feuerland gelegenen britischen Insel Gough. Hier haben die Nagetiere den Spieß umgedreht - in einer Art und Weise, die selbst hartgesottenen Feldforschern den Magen Richtung Kehle hebt. Organisierte Horden eingeschleppter Hausmäuse fallen nachts über wehrlose Albatros-Küken her, knabbern sie an und fressen sie bei lebendigem Leibe. Wie appetitlich die Spuren solcher Massaker anzusehen sind, läßt sich denken. Besonders tragisch wird der einzigartige Vorgang, weil die auf Gough nistenden Tristan-Albatrosse vom Aussterben bedroht sind und nur jeder fünfte Jungvogel den aggressiven Mäuse-Banden entgeht.

Zwar 200mal kleiner als ihre Opfer, sind die Übeltäter dennoch keine gewöhnlichen Mäuse. Sie sind mehr als doppelt so groß wie ihre europäischen Artgenossen und bedeutend angriffslustiger. Daunenbefiederte Jung-albatrosse, die flug- und fluchtunfähig im gemachten Nest sitzen, scheinen für diese Nager einen gedeckten Tisch zu verkörpern. Um so mehr, als die Altvögel ihren Jungen nicht zu Hilfe kommen, da hierfür das instinktive Abwehrverhalten fehlt. Immerhin waren räuberische Bioinvasoren auf ihrer Brutinsel bis zur Ankunft der Mäuse unbekannt. Wer die Mühen kennt, die Nestbau, Brut und Jungenaufzucht für Vögel sonst, für große Seevögel wie Albatrosse im besonderen bedeuten, wird Verständnis für den Plan der zuständigen Biologen haben, die eingewanderten Nager schnellstens von der Insel zu entfernen. Auf daß die majestätischen Tristan-Albatrosse auch künftig über das südatlantische Firmament gleiten mögen.


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