© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/05 30. September 2005

PRO&CONTRA
Generelles Handy-Verbot an Schulen?
Heidrun Schall / Stefan Reip

Ein Handy-Verbot an Schulen ist als Vorsorgemaßnahme zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor unerkannten Gesundheitsrisiken elektromagnetischer Felder sinnvoll. Denn die heutige Generation von Kindern ist die erste, die von klein auf den Funkfeldern von Handys und Basisstationen ausgesetzt ist. Erst wenn diese Generation unbeschadet das Greisenalter erreicht, kann Entwarnung gegeben werden.

Das Umweltbundesamt gibt im Hinblick auf elektromagnetische Felder zu bedenken, daß sich im Grunde harmlose Effekte im Laufe der Zeit kumulieren und zu einem bislang unerkannten Gesundheitsrisiko führen können. Besonders gefährdet sind Kinder. Wegen dünner Schädelwände dringen Funkfelder zweifellos tiefer ins Gehirn ein als bei Erwachsenen. Außerdem sind die Proportionen von kleinen Kindern so ausgebildet, daß dies die schädliche Energieabsorption aus umgebenden Funkfeldern begünstigt (Resonanzeffekt). Ähnlich verhält es sich mit dem Körpergewebe, das bei Kindern im allgemeinen mehr Wasser enthält als bei Erwachsenen.

Die schlimmste Folge dieser Energieabsorption kann die Entstehung von Krebs sein. Beweise dafür, daß Handys Krebs auslösen oder fördern können, gibt es zwar nicht, jedoch eine Vielzahl ernstzunehmender Hinweise. So hat erst kürzlich eine Studie gezeigt (Reflex), daß die Funkfelder von Handys durchaus in der Lage sind, DNA-Schäden zu verursachen. Dieses Resultat kam unerwartet und hat selbst die Wissenschaftler überrascht. Noch erstaunlicher ist, daß die DNA-Schäden nur bei bestimmten schwachen Feldintensitäten auftraten und bei höheren Intensitäten nicht mehr beobachtet wurden! Kein Wunder also, daß in etlichen europäischen Ländern Strahlenschutzkommissionen oder andere ernstzunehmende Organisationen die Vorsorgeempfehlung herausgegeben haben, Kindern kein Handy zu überlassen.

 

Heidrun Schall ist Sprecherin des Informationszentrums gegen Mobilfunk in München.

 

 

Ein generelles Verbot, Handys mit in die Schule zu bringen, ist mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen. Nur das klingelnde Handy beziehungsweise das Handy, das in Betrieb ist, stört den Schulbetrieb. Natürlich läßt sich nun argumentieren, daß das Handy in jedem Fall "potentiell" störend ist, und in der Tat bereitet es Schwierigkeiten, ein Verbot der Handy-Nutzung in der Schule durchzusetzen, wenn es generell in die Schule mitgebracht werden darf.

Ausschlaggebend ist, daß mit einem solchen Verbot den Schülern auch gleichzeitig die Möglichkeit genommen würde, das Handy auf dem Schulweg beziehungsweise im außerschulischen Bereich vor und nach dem Unterricht zu benutzen. Dieser Eingriff ist zu weitgehend. Er beeinträchtigt die individuelle "außerschulische" Lebensgestaltung der Schüler und auch die Rechte der Eltern, denen es vielleicht ein Gefühl der Sicherheit gibt, wenn sich ihre Kinder in Notfällen melden können oder erreichbar sind.

Worum es also nur gehen kann, ist, inwieweit die Nutzung des Handys im Schulbereich verboten werden kann. Zunächst gilt das natürlich für die Zeit des Unterrichts: Das klingelnde oder sonstwie eingeschaltete Handy stört den Unterricht. Weniger eindeutig ist die Nutzung des Handys auf dem Schulhof. Hier sollte man auf die örtlichen Verhältnisse abstellen. Die Handynutzung in der Pause oder auf dem Schulhof "nervt" zunächst, ohne konkret den Schulbetrieb zu stören. Erst wenn die Nutzung überhand nimmt oder konkrete Konflikte auslöst, ist ein Verbot statthaft. Wird ein Handy einem Verbot zuwider genutzt, besteht für die Lehrkraft die Möglichkeit, es zunächst zur Abwehr dieser Störung einzubehalten. Diese rechtliche Möglichkeit endet jedoch dann, wenn das Handy nicht mehr stören kann, nämlich zum Ende des Unterrichts. Dann besteht keine rechtliche Handhabe mehr zum Eingriff in die Rechte des Schülers.

 

Dr. jur. Stefan Reip lebt in Stuttgart und befaßt sich beruflich mit rechtlichen Fragen des Schul- und Bildungswesens.


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