© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/05 23. September 2005

Markenlogo Thor Steinar: Ein Interview mit dem Rechtsanwalt Markus Roscher
"Ein längst überfälliges Urteil"
Matthias Müller

Bekannt als sportliche und zu gleich hochwertige Bekleidungsmarke geriet das von der Firma Mediatex im brandenburgischen Zessen vertriebene Thor Steinar-Label in den Fokus selbsternannter PC-Wächter. Damit teilte sie das Los von Marken wie Lonsdale oder New Ballance, die allesamt als Versatzstücke einer rechten Jungendkultur eingeordnet werden. Dem alten Logo von Thor Steinar unterstellten zuerst linksradikale Gruppen und dann auch staatliche Behörden eine verfassungsfeindliche Symbolik, was zu großen Verunsicherungen unter der breiten Käuferschicht führte. Nach dem jüngsten Spruch des Brandenburgischen Oberlandesgerichts ist das Tragen des alten Markenlogos nicht länger verboten (JF 38/05), was vor allem die jugendlichen Käufer der Lifestyle-Marke freuen dürfte, die zuvor, ebenso wie die Firma selbst, Repressalien ausgesetzt waren. Allein für den Zeitraum von Januar bis August 2005 verringert sich in Brandenburg mit dem jüngsten Urteil schlagartig die Zahl der eingeleiteten Strafverfahren mit rechtsextremen Hintergrund von 893 auf 636. Der Berliner Rechtsanwalt Markus Roscher, der die erfolgreiche Klage für die Modefirma geführt hatte, äußert sich im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT zu dem Verfahren und seinen Folgen.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat vergangene Woche das Verbot des Thor-Steinar-Logos aufgehoben. Wie bewerten Sie dieses Urteil?

Roscher: Es ist ein längst überfälliges Urteil in einem skandalösen Verfahren gegen ein Unternehmen, das zu keiner Zeit beabsichtigte, Politik zu machen, sondern nur modische Bekleidung für junge Menschen herstellen will. Das alte Symbol der Firma Thor Steinar gab es zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner verbotenen Parteiorganisation oder in den Jahren zwischen 1933 und '45. Die Probleme, welche die Staatsanwaltschaft Neuruppin mit dem Logo sah, lagen darin, daß sie glaubt, wenn man das Logo in mehrere Bestandteil zerlege, seien darin Insignien des NS-Regimes zu erkennen. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch unzulässig, da man sonst hinter jedem Fensterkreuz eine Swastika vermuten könnte und somit der Tatbestand des Paragraphen 86a StGB in unverhältnismäßiger Weise ausgedehnt würde. Das alte Markenzeichen von Thor Steinar ist ein Fantasiezeichen, weswegen es sich nicht um ein für jedermann erkennbares verfassungswidriges Zeichen handeln kann.

Welche Auswirkungen erwarten Sie von dem Urteil?

Roscher: Es ist auf jeden Fall ein Urteil, das im Lichte des demokratischen und freiheitlichen Hintergrundes unserer Verfassung zu sehen ist. Denn man sollte nicht hysterisch auf alles reagieren, was nicht dem "Mainstream" entspricht, da man wie in diesem Fall dann mit Kanonen auf Spatzen schießt. Dann befinden wir uns nämlich wieder in einer ähnlichen Hexenjagd, wie sie Mitte der 1970er Jahre gegen andere politische Strömungen stattfand. Es ist immer gefährlich, mit rechtlichen Mitteln Politik machen zu wollen.

In Brandenburg ist das Tragen des alten Thor-Steinar-Logos nicht mehr strafbar, und die laufenden 200 Verfahren gegen Personen, die das alte Firmenlogo getragen haben, wurden durch das Urteil mit einem Schlag eingestellt. Was bedeutet das für den Rest der Bundesrepublik?

Roscher: Selbstverständlich wirkt sich dieses Urteil auch auf die Praxis und die sogenannten Propagandadelikte in den anderen Bundesländern aus.

Welchen finanziellen Schaden hat Ihr Mandant Axel Kopelke, der Geschäftsführer der Mediatex GmbH, durch die Kampagne gegen Thor Steinar schätzungsweise erlitten?

Roscher: Eine große Zahl der Bekleidungsproduktion mit dem alten Markenlogo mußte vernichtet werden, da die Entfernung der Symbole auch zur Zerstörung der Textilien führte. Derzeit wird eine Aufstellung aller dabei entstandenen Kosten vorgenommen, die sich im siebenstelligen Bereich bewegen dürften. Daher werden wir mittels einer Staatshaftungsklage gegen das Land Brandenburg die entsprechende Entschädigung noch einfordern.

Welche Chancen rechnen Sie sich bei dieser Schadensersatzklage aus?

Roscher: Zunächst wird der Anspruch gegenüber der Staatsanwaltschaft Neuruppin direkt geltend gemacht. Ich gehe davon aus, daß von dortiger Seite zunächst eine Abwehrhaltung besteht, denn die Niederlage, die hier die Staatsanwaltschaft bzw. das Justizministerium erlitten hat, ist sehr gravierend. Eine Geldzahlung werden wir voraussichtlich erst durch eine gerichtliche Einigung erzielen. Über deren möglichen Verlauf bin ich jedoch positiv gestimmt, da hier noch das Staatshaftungsgesetz der DDR greift, das nach der Wende übernommen wurde. Das Staatshaftungsgesetz ist verschuldensunabhängig: Schäden, die durch staatliches Handeln entstanden sind, müssen ausgeglichen werden, wenn - wie hier - sich die Maßnahme im nachhinein als falsch herausstellt.

Denken Sie, daß die Kampagne gegen die Bekleidungsfirma ihres Mandanten zum Bekanntheitsgrad des Markennamens "Thor Steinar" beigetragen hat und damit der finanzielle Schaden wenigstens durch ein zwar negatives, aber dennoch Interesse weckendes Image wieder aufgehoben wurde?

Roscher: Das würde ich verneinen, weil es in Deutschland keinen verwerf-licheren Vorwurf gibt, denn als Kinderschänder oder Rechtsextremist gebrandmarkt zu werden. Weite bürgerliche Kreise könnten vom Kauf der Marke Thor Steinar abgeschreckt werden.

Wird Ihr Mandant nun wieder zum alten Markenlogo zurückkehren oder das neue Logo weiterführen?

Roscher: Das neue Logo ist bereits sehr erfolgreich in den Markt eingeführt worden. Alles weitere muß man sehen.

Trotz des jüngsten Urteils wird unter der Internetseite www.stop-thorsteinar.de.vu ein aktueller Aufruf gegen Thor Steinar publiziert, der unterstellt, daß mit dem Urteil die Neonaziszene einen Sieg davongetragen habe und daher von antifaschistischer Seite noch wesentlich entschiedener gegen die "völkische Symbolik" von Thor Steinar vorgegangen werde müsse. Was befürchten Sie bei diesem indirektem Aufruf zur Gewalt?

Roscher: Mit diesem Aufruf entlarvt sich eine weitaus größere Gefahr für die Demokratie: die aggressive Linke, die meint, aufgrund des "Mainstreams" jedes Mittel anwenden zu können, um gegen politisch Andersgesinnte vorzugehen. Ich werde im Hinblick auf mediale Angriffe und Unterstellungen alle rechtlichen Schritte ausschöpfen. Schwierig ist es bei der Hetze im Internet, da die Antifa Server benutzt, die in Südamerika eingerichtet sind und derer die deutsche Staatsanwaltschaft nicht habhaft werden kann. Von daher muß die Marke Thor Steinar mit weiteren Anfeindungen rechnen.

Foto: Umstrittenes Thor-Steinar-Logo: Blitzableiter für die PC-Wächter

 

weitere Interview-Partner der JF


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen