© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/05 16. September 2005

Zeitschriftenkritik: Vision 2000
Die Zukunft ist fraulich
Werner Olles

Die von dem Verein Vision 2000 zweimonatlich herausgegebene gleichnamige Zeitschrift bezeichnet sich als Medium, "das Mut zu einem christlichen Leben machen will und Christen Orientierung zu bieten versucht". Nachdrucke der Texte sind ausdrücklich erwünscht. Die Zeitschrift zählt zu den in den letzten Jahren außerordentlich erfolgreichen charismatischen Strömungen und Bewegungen innerhalb des Katholizismus, die sich in der Treue zum jeweiligen Papst - anders als beispielsweise der traditionalistische Flügel der Kirche oder die von einer Vakanz des Heiligen Stuhls nach Pius XII. ausgehenden Sedisvakantisten - von kaum jemandem überbieten lassen.

Allerdings hatte besonders der verstorbene Johannes Paul II. durch sein Auftreten die charismatische Tendenz sehr gefördert, nicht zuletzt im Hinblick auf seine jugendlichen Anhänger, die sich zu solchen Bewegungen hingezogen fühlen. Nun gibt es jedoch auch bei den charismatischen Strömungen eine stärkere Hinwendung zu konservativen Anschauungen, die aber leider nicht immer in die Tiefe gehen. Störend wirkt sich auch die Tendenz zu Privatoffenbarungen aus. So enthält Vision 2000 in jedem Heft neben den Worten des Papstes eine aktuelle Aussage der Jungfrau Maria aus Medjugorje. Bekanntlich sind die dortigen Marienerscheinungen aus guten Gründen von Rom nicht offiziell anerkannt. Für echte Charismatiker stellt dies jedoch offensichtlich kein Problem dar.

In ihrer aktuellen Ausgabe befaßt sich die Zeitschrift mit dem Thema "Frauen für das 21. Jahrhundert". Dabei habe "der Kampf für ein zukunftsträchtiges Leitbild für die Frau" gerade erst begonnen, schreibt Christof Gaspari. Immerhin hätten "dreißig Jahre gepredigter Feminismus" nicht verhindern können, daß die Mehrzahl der Menschen in ihrem Wertespektrum der Familie Vorrang einräume. So bezeichneten 89 Prozent der Österreicher die Familie als sehr wichtig - mit Abstand vor Arbeit und Freunden. Und 50 Prozent der Befragten sahen es als ideal an, "wenn Mütter bei ihren Kindern zu Hause bleiben und nicht arbeiten gehen".

Christine Boutin, Abgeordnete im französischen Parlament, stellt gar die politisch völlig unkorrekte Behauptung auf, die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts verlange nach Frauen, "die sich den feministischen Klischees entgegenstellen - Frauen, die sich engagieren und weibliche Werte und Eigenschaften in unsere Gesellschaft einbringen; das Zuhören, die wohlwollende Aufnahme, die Vergebung, die Sanftheit, die mütterliche Wärme; aber auch - die Bezauberung".

Alain Bandelier erinnert daran, daß am Karfreitag am Fuße des Kreuzes neben den Frauen nur ein Mann zu finden war, der Jünger Johannes. Und an die Mystikerinnen, Äbtissinnen und Frauen der Tat wie Katherina von Siena, eine leseunkundige Christin, die das Papsttum von Avignon zur Ordnung rief. Am Anfang des Evangeliums habe das Ja einer Frau gestanden; und auch am Ende eilten Frauen, um den Aposteln die Nachricht der Auferstehung zu bringen. Christus habe die Frauen dazu berufen, "Trägerinnen des Heils" zu sein.

Anschrift: Elisabethstr. 26, A-1010 Wien. Internet: www.vision2000.at


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