© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/05 02. September 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Angekommen
Karl Heinzen

Die PDS hat sich schützend vor ihren Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine gestellt und die Kritik an seinem angeblich luxuriösen Lebenswandel zurückgewiesen. Auch Linke hätten das Recht, ihren Wohlstand zu genießen, bekundete Bundesgeschäftsführer Bodo Ramelow und stellte im übrigen klar, daß Fröhlichkeit und nicht herabhängende Mundwinkel das Markenzeichen der Sozialisten seien.

Aus seinen Bemerkungen spricht der Übermut einer Partei, die sich bereits in respektabler Fraktionsstärke im nächsten Bundestag wähnt. Die PDS kann es sich leisten, Zielsetzungen zu propagieren und einen Parteistil zu kultivieren, ohne auf ihre Klientel ästhetisch oder inhaltlich allzu große Rücksicht nehmen zu müssen. Wie sehr sie sich auch von der Bodenständigkeit ihrer SED-Ursprünge entfernen mag, sie wird gewählt - von Menschen, für die Edmund Stoibers Charakterisierung keine Beleidigung, sondern eine sachliche Würdigung ihrer Befindlichkeit als Einheitsverlierer darstellt.

Trotz ihrer Regierungsbeteiligung in Schwerin und im Land Berlin sieht sich die PDS gegenüber ihren Mitbewerbern in der komfortablen Situation, daß sie weder an ihren Worten noch an ihren Taten gemessen wird. Es verwundert nicht, daß dies Neider auf den Plan ruft. Diese sollten aber in ihrer Schelte maßvoll bleiben. Sicherlich mag man konstatieren, daß die Linkspartei sich zwei Bonvivants als Zugpferde gönnt und um diese herum eine Wahlkampagne strickt, die weniger auf Inhalte als auf Personenkult und bürgerlichen Lifestyle zu setzen scheint. Der Vorwurf der Bigotterie ist gleichwohl unfair. Die PDS mag für eine doppelte Moral stehen, im Gegensatz zu ihren neoliberalen Konkurrenten ist sie damit aber immerhin auf diesem Terrain, in dem es um so etwas wie Gemeinsinn und Gemeinwohl geht, überhaupt präsent.

Vor allem aber gilt es anzuerkennen, daß die Sozialisten mit ihrem offenherzigen Bekenntnis zu den Freuden des Wohlstandes endlich in der Bundesrepublik angekommen sind. Für linke Puristen, die sich asketisch in den Dienst der geliebten Massen stellen, war und ist in ihr kein Platz. Wer auf derartiges Wert legt, kann MLPD wählen, viele sind das bekanntermaßen nicht. Die Nachkriegslinke ist ein bürgerliches Phänomen, ihr soziales Milieu eine hedonistische Elite, die sich auch diesen Bekenntnisluxus gönnen möchte. Die Gefahr, die von ihr für die Eigentumsverhältnisse ausging, war daher stets denkbar gering. Man sollte sich freuen, daß auch die Linkspartei diesen Pfad der Vernunft beschritten hat.


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