© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/05 02. September 2005

PRO&CONTRA
Im Zweifel deutsche Produkte kaufen ?
Wolfgang Grupp / Naomi Braun-Ferenczi

Die Forderung von Verbraucherschutzministerin Renate Künast, mehr deutsche Produkte zu kaufen, ist grundsätzlich richtig. Die Vorteile liegen auf der Hand. Schließlich kann auf diese Weise jeder helfen, die Beschäftigungssituation in Deutschland zu unterstützen, Arbeitsplätze zu sichern oder gar auszubauen. Darüber hinaus kann auf diese Weise indirekt Einfluß genommen werden auf die Sozial- und Umweltstandards der Produzenten. Dies sind nicht die einzigen Aspekte. Im Bereich der Landwirtschaft beispielsweise garantiert der Erwerb deutscher Erzeugnisse - zumindest tendenziell - die Herkunft aus kontrolliertem und nicht zuletzt ökologisch zertifiziertem Anbau.

Mit gutem Recht ist die "Geiz ist geil"-Mentalität zu hinterfragen. Sie trägt dazu bei, daß Kunden hierzulande aus Preisbewußtsein billigere, im Ausland produzierte Waren kaufen - etwa in der Textilwirtschaft. Unsere Firma Trigema hat sehr erfahrene Mitarbeiter in ihren Reihen, die dafür sorgen, daß kein Billigprodukt auf den Mark gelangt, sondern hochwertige Qualität, die wiederum dem Kunden zugute kommt durch die besseren Eigenschaften der Produkte, die eine längere Lebensdauer verbürgen. Deshalb ist der teurere Preis gerechtfertigt, solange das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

Eine solche Haltung erfordert auch einen überlegten Verbraucher. Gewissermaßen handelt es sich um einen kleinen Akt des Patriotismus. Es sollte selbstverständlich sein, daß man zu dem Land, in dem man lebt, auch steht und - beispielsweise im Kaufverhalten - Verantwortung für das Gemeinwesen zeigt. Um es in einer Analogie zu sagen: Die eigenen Kinder sind einem näher als fremde. Genauso ist es vordringlich, zuerst die Probleme im eigenen Land zu lösen. Wenn dies auf dem Weg des Konsums mit der Stärkung der Marke "Made in Germany" erfolgt, ist dies zweifelsfrei zu begrüßen.

 

Wolfgang Grupp ist Inhaber der TRIGEMA GmbH&Co.KG mit Sitz in Burladingen, die ausschließlich in Deutschland produziert.

 

 

Wenn wir Waren nur deswegen kaufen, weil sie in Deutschland hergestellt worden sind, erweisen wir unserer Heimat einen Bärendienst. Ich will dies anhand eines Beispiels verdeutlichen: Wenn ich den qualitativ gleichwertigen chinesischen Büstenhalter für 20 Euro verschmähe und statt dessen das doppelt so teure aus deutscher Hand gefertigte Teil kaufe, zeitigt das einige Folgen,

Zuerst fehlen mir 20 Euro, die ich an anderer Stelle hätte konsumieren können, zum Beispiel für ein Produkt oder eine Dienstleistung aus Deutschland, etwa ein Solinger Brotmesser, ein Jägerschnitzel oder eine Maniküre-Sitzung. Gleichzeitig trage ich als Konsumentin des vergleichsweise teureren, aber nicht besseren deutschen Produkts zu Fehlanreizen bei.

Ich signalisiere dem deutschen BH-Hersteller, daß die Preise und die Qualität seines Produkts angemessen sind. Ich trage also dazu bei, daß der nötige Innovations- und Qualitätsschub der deutschen Firma ausbleibt. Ich sorge auch dafür, daß deutsche Firmen sich auf Produkte versteifen, die andere günstiger und besser herstellen können, ja, ich verhindere, daß deutsche Unternehmer sich auf die Produkte konzentrieren, bei denen ihnen im internationalen Vergleich - aufgrund günstiger Standortbedingungen wie Kompetenz, Infrastruktur und Logistik - niemand etwas vormacht.

Kaufe ich dagegen die chinesische Textilie, sorge ich dafür, daß der Lebensstandard der Chinesen sich dem unseren annähert. Das wiederum vermindert den Preisvorteil chinesischer Produkte gegenüber deutschen und führt dazu, daß Chinesen immer mehr in der Lage sein werden, deutsche Qualitätsprodukte zu kaufen. Je wohlhabender unsere Wettbewerber werden, desto günstiger für uns. Das bedeutet Vorfahrt für den weltweiten Freihandel und das Recht jedes Deutschen, ungehindert Waren aus aller Welt kaufen zu dürfen!

 

Naomi Braun-Ferenczi ist Juristin und Redakteurin der Zeitschrift "eigentümlich frei" (Internet: www.eifrei.de )


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