© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/05 26. August 2005

Irrwege und Irrtümer
Politische Korrektheit: Rumäniens neuer Kulturminister soll angeblich die Akzeptanz seines Landes in der EU gefährden
Ivan Denes

Nach dem Rücktritt der rumänischen Kulturministerin Mona Musca hat die Nationalliberale Partei (PNL) den 54jährigen Adrian Iorgulescu zu ihrem Nachfolger nominiert. Für die Berliner taz Anlaß, einen beispiellosen Angriff auf Rumänien zu reiten: Die Berufung Iorgulescus könnte die Akzeptanz Rumäniens in der Europäischen Union gefährden, ließ das Blatt kürzlich durchblicken. Was für ein Unfug!

Der designierte Kulturminister ist einer der hochkarätigsten Intellektuellen Rumäniens. Iorgulescu, Jahrgang 1951, promovierter Musikwissenschaftler, ist seit 1996 Parlamentsabgeordneter und seit 13 Jahren Vorsitzender der Union der Komponisten, er lehrt als Professor an der Musikhochschule in Bukarest Komposition und musikalische Formen, er hat drei Symphonien geschrieben, drei Instrumentalkonzerte, eine Oper, vier Streichquartette, er hat Gedichte veröffentlicht sowie zwei philosophisch-ästhetische Werke, "Die musikalische Zeit - Materie und Metapher" und "Die Zeit und die musikalische Kommunikation". Er wurde mit zahlreichen in- und ausländischen Preisen geehrt. Diese überragenden intellektuellen Qualitäten haben die Liberalen veranlaßt, ihn für das Amt des Kulturministers vorzuschlagen.

Politisch kommt Iorgulescu aus der national-konservativen Ecke. Er war entscheidend beteiligt an der Bildung einer Union der Rechtskräfte und formulierte 2000 - lange, bevor diese Formation in der Nationalliberalen Partei aufging - deren Programmatik in einer Schrift "Die Rechte. Prinzipien und Perspektiven". Iorgulescu zitiert darin Alain de Benoist und sogar den italienischen Kulturphilosphen Julius Evola, der - quelle horreur! - in seinen Schriften Platons Idee von der notwendigen Führung durch Eliten aufgreift.

Die taz nun befindet, daß Iorgulescus Ansichten nicht mit dem "verbindlichen Gedankengut der europäischen Wertegemeinschaft" vereinbar seien, zumal er die Meinung vertrete, daß die Merkmale der Nation "vorzeitlich, apriorisch, ewig, unveränderlich" seien und "die immerwährende seelische Struktur des Volkes" reflektieren.

Man reibt sich die Augen und kann nicht glauben, welche Irrwege die political correctness noch nehmen kann. Tatsächlich unvereinbar mit dem "verbindlichen Gedankengut der europäischen Wertegemeinschaft" ist lediglich die Unfähigkeit der deutschen Linken zur Toleranz gegenüber dem Anders-, dem Nationaldenkenden. Offenbar herrscht bei der taz die Vorstellung vor, man könne erneut ausländische Politiker in Acht und Bann schlagen, wie es vor Jahren mit Jörg Haider oder Pim Fortuyn vorexerziert wurde. Im Falle mittel- und osteuropäischer Länder, die gerade erst dem Trauma einer jahrzehntelangen Diktatur entkommen sind und nun auf ihr nationales Selbstverständnis zurückgreifen, dürfte sich das gottlob als Irrtum erweisen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen