© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/05 26. August 2005

Vier Kilo Gerätemüll pro Einwohner
Umweltpolitik: Neue EU-Richtlinie verlangt Rücknahme von Elektroschrott / Hersteller fürchten Mehrkosten
Leonhard Weiss

Am 13. August ist die Elektroschrott-Richtlinie der EU in Kraft getreten. Alle nach diesem Termin verkauften Elektrogeräte können nun, wenn sie ihren Zweck erfüllt haben oder nicht mehr zu reparieren sind, kostenlos bei den oftmals noch einzurichtenden kommunalen Sammelstellen abgegeben werden.

In Deutschland wird diese EU-Richtlinie allerdings erst am 24. März 2006 voll erfüllt: Dann startet die Rücknahme sowie die umweltverträgliche Entsorgung von PCs, Lampen, Fernsehern oder Kühlschränken in der Praxis. Jährlich sollen so etwa 800.000 Tonnen Elektromüll weniger anfallen. Auf die Hersteller von Elektrogeräten kommen nun jedoch neue Kosten zu - sie leisteten zusammen mit den Händlern hinhaltenden Widerstand. Die Verantwortlichen der EU-Umweltgesetzgebung mußten daher einen Spagat zwischen Ökologie, Ökonomie und Verbraucherschutz vollziehen.

Kaum ein Markt wächst so schnell wie der für Elektro- und Elektronikgeräte. Allein in Deutschland fallen daher pro Jahr etwa 1,8 Millionen Tonnen verkabelten Mülls an, der einen Güterzug von der Länge der Strecke Flensburg-München füllen würde. Wer künftig Elektrogeräte auf den Markt bringen will, benötigt ab dem 24. November 2005 dafür eine ausdrückliche Genehmigung. Diese wird schon ab Juli 2005 von den neu gegründeten Registrierungsstellen Stiftung Elektroaltgeräte Register (EAR) und der Gemeinsamen Stelle der Hersteller unter der Aufsicht des Umweltbundesamtes (UBA) erteilt.

Speziell die Computerbranche stöhnt angesichts der Mehrkosten, die mit der EU-Richtlinie verbunden sind. Fujitsu Siemens rechnet beispielsweise mit Mehrbelastungen in Höhe von neun Millionen Euro. Zwar betreibe man bereits ein eigenes "Recycling-Center", dennoch seien große Summen in umweltfreundliche PC-Teile zu investieren, so ein Unternehmenssprecher. Gemessen am Umsatz dieses Unternehmens kann dabei von großen Summen allerdings keine Rede sein.

Auch die Kommunen freuen sich wenig über den zusätzlichen Arbeits- und Kostenaufwand. "Auf uns kommen Belastungen zu, weil der Müll von den Privathaushalten abgeholt werden muß", erklärte ein Sprecher des deutschen Städte- und Gemeindebundes. Für die Entsorgung seien aber immerhin die Hersteller verantwortlich, die die ausgedienten Geräte bei den Sammelstellen abholen.

Umweltverbände halten die Neuregelung für überfällig

Ab 31. Dezember 2004 werden die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, vier Kilogramm Elektronikschrott pro Einwohner jährlich getrennt zu sammeln, so das ehrgeizige Ziel laut Wirtschaftskammer.

Die Richtlinie sei längst überfällig gewesen, meint Bernhard Bauske vom World Wide Fund for Nature (WWF): "Pro Jahr fallen in Deutschland schätzungsweise rund 110.000 Tonnen Computerschrott an". Für die Natur stellen diese Materialien - in erster Linie Kunststoffe und Metalle - Fremdkörper dar, die von keinem Ökosystem verarbeitet werden können.

So sind in Kühlgeräten die Schadstoffe FCKW, Ammoniak und Altöl und in Fernsehern Blei, Barium und Leuchtstoffe enthalten. Allerdings birgt Elektroschrott nicht nur Schadstoffe, sondern auch wertvolle Ressourcen wie Metalle, Edelmetalle und reine Kunststoffraktionen, die in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden können. Darüber hinaus dürfen ab Juni 2006 auch bestimmte Schwermetalle wie Blei oder Cadmium sowie mit Brom versetzte Flammschutzmittel in fabrikneuen Elektrogeräten nicht mehr verwendet werden.

Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) vermutet, daß die Hersteller die Kosten in Form von höheren Preisen für die Geräte an Endverbraucher weitergeben werden. Laut Gesetz (ElektroG) können die Altgeräte kostenlos an den kommunalen Sammelstellen abgegeben werden, während die Hersteller die Entsorgungskosten entweder ungenannt auf den Neupreis aufschlagen oder getrennt zum Neugerätepreis ausweisen können. Das bei Kleingeräten bis 2011 erlaubt, bei Großgeräten bis 2013.

Auf Druck der Wirtschaft wurde die endgültige EU-Richtlinie zudem mehrfach entschärft. "Gegenüber früheren Fassungen konnten wichtige Verbesserungen für Klein- und Mittelbetriebe durchgesetzt werden", meint Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung für Umwelt-, Energie- und Infrastrukturpolitik der Wiener Wirtschaftskammer. Kaufen Kunden kein neues Gerät, brauchen Händler keine Altgeräte zurücknehmen. "Nur beim Kauf von neuen Geräten muß der Handel Zug um Zug Altgeräte zurücknehmen", erläuterte Schwarzer.

Darauf zielt der Grundgedanke des neuen Gesetzes: auf lange Sicht eine Produktion von langlebigeren und besser zu verwertenden Elektrogeräten. Denn Elektrohaushalt-Großgeräte haben im Durchschnitt eine mittlere Gebrauchsdauer von 13 Jahren, Kleingeräte nur von sechs Jahren. Qualitätsprodukte aus Deutschland oder Japan haben durch die Neuregelung mehr Chancen - billige "Ex und Hopp"-Geräte werden hingegen tendenziell teurer. Je nach Produktkategorie müssen bis 2006 "Recycling"-Ziele zwischen 50 und 75 Prozent des Gerätegewichts erreicht werden.

Wie der Elektroschrott weiterverwertet wird, ist noch nicht endgültig klar - ein Chaos wie beim deutschen Dosenpfand ist allerdings nicht zu erwarten.


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