© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/05 19. August 2005

Frisch gepresst

Gregor Gysi. Noch vor einem Jahr war das öffentliche Interesse an dem zurückgetretenen Wirtschaftssenator von Berlin auf medizinische Wasserstandsmeldungen des Herzkranken in Boulevard-Blättern beschränkt. Doch mit der Entscheidung des Saarländers Lafontaine ist auch das Berliner PDS-Urgestein wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt: will man seinem Biographen Jens König glauben, dorthin, wo sich der genauso eloquente wie eitle Politiker am wohlsten fühlt. Als Gysi vom Entschluß des früheren Chefredakteurs der Jungen Welt erfuhr, daß er eine Biographie über ihn plane, war er schlau genug, seine Kooperation zu verweigern - wohlwissend, daß diese nicht allzu kritisch ausfallen würde. Das Resultat gibt ihm nun recht - auf Genossen scheint immer noch Verlaß zu sein. Denn König umschifft die heiklen Stationen in Gysis Leben derart gekonnt - sei es seine Stellung als Anwalt von DDR-Dissidenten, das Versagen in Berliner Regierungsverantwortung etc. -, als hätte "das einfache PDS-Mitglied", als welches sich der Talkshow-Dampfplauderer gern bezeichnet, dem heutigen taz-Journalisten im Ohr gelegen. Gelungen ist König Beschreibung des Milieus einer intellektuellen jüdischen Bourgeoisie, aus dem Gysis Familie staatstragend im Arbeiter- und Bauernstaat hervortrat. Dieser Facettenreichtum im Handeln und Denken läßt vielleicht auch Schlüsse zu, warum Gysi nach längerer Abstinenz sofort wieder an seine alte schillernde Rolle anknüpfen konnte (Gregor Gysi. Eine Biographie. Rowohlt Verlag, Berlin 2005, 352 Seiten, Abbildungen, gebunden, 19,90 Euro).

Gott ist cool. Der gerade stattfindende Weltjugendtag wird "eine Brise der Glaubenserneuerung durch jugendkulturelle Formen" offenbaren, wie die Projektgruppe Jugend und Religion im Vorwort ihrer an der Esslinger Hochschule für Sozialwesen entwickelten Studie formuliert. Unter Leitung des Sozialwissenschaftlers Kurt Möller hat die Gruppe verschiedene Jugendliche nach ihrer "Suche nach Transzendenz" befragt - hauptsächlich Christen, aber auch Moslems, Juden und sogar einen waschechten Neonazi. Gemein ist den meisten, daß sich ihre Beziehung zur Religion völlig von tradierten Mustern der Kirchen losgelöst hat und durch teilweise abstruse Ersatzhandlungen eine neue, frei interpretierbare Veräußerlichung erfährt (If God is a DJ... Archiv der Jugendkulturen Verlag, Berlin 2005, 162 Seiten, broschiert, 15 Euro).


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