© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/05 19. August 2005

Immer gegen alle Feinde Polens
Bürgermeister Lech Kaczynski: Der frühere Solidarnosc-Aktivist will nächster Staatspräsident werden / Katholisch, nationalpolnisch und antikommunistisch
Lubomir T. Winnik / Jörg Fischer

Rudolf ist sein Name. Er ist ein Kater, der aus einem Tierheim ge-holt wurde. Die "Eltern" des Katers sind in ganz Polen als engagierte Tierfreunde bekannt: Maria und Lech Kaczynski. Größter Stolz der Kaczynskis ist jedoch die zweijährige Enkelin Ewa.

Familie, Tradition, Heimatliebe, Recht und Ordnung - das sind die Werte, in deren Geist Lech Kaczynski, geboren am 18. Juni 1949 in Warschau, erzogen wurde. Seine Eltern kämpften während des Zweiten Weltkrieges mit der Waffe gegen alle Feinde Polens: der Vater bei der antikommunistisch-nationalpolnischen Heimatarmee (Armia Krajowa/AK) und die Mutter bei den berüchtigten "Grauen Reihen", einer militarisierten geheimen Pfadfinderorganisation, die sich während des Warschauer Aufstandes 1944 durch große Tapferkeit auszeichnete.

Lech Kaczynski stand früh im Rampenlicht: Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Jaroslaw spielte er 1962 in dem polnischen Kinderfilm "Von zweien, die den Mond stahlen", die Hauptrollen. Die blonden Lausbuben Jacek und Placek eroberten die Herzen der polnischen Kinder. 1972 schloß er sein Jura-Studium an der Universität Warschau ab. 1976 promovierte er an der Universität Danzig, wo er seit 1977 auch gewerkschaftlich tätig war und in der antikommunistischen Opposition (KOR) mitwirkte. 1980 gründet dort Lech Walesa die Unabhängige Selbstverwaltete Gewerkschaft "Solidarität" (Solidarnosc), Lech Kaczynski wird Berater der Streikenden in der Danziger Lenin-Werft. Während des Kriegsrechts von Dezember 1981 bis Oktober 1982 war er interniert. 1988 wird er Mitglied des Bürgerkomitees an der Seite Walesas. 1989 handelt er für die Solidarnosc am Runden Tisch die friedliche Machtübergabe des kommunistischen Regimes mit aus.

Von 1989 bis 1991 ist er Mitglied im Polnischen Senat, danach bis 1993 Abgeordneter im Sejm (Parlament), 1990 Solidarnosc-Vize, 1991 Chef des Amtes für Nationale Sicherheit und Kanzleichef von Staatspräsident Walesa. 1992 bis 1995 Vorsitzender der Obersten Kontrollkammer (NIK). 1995 wird er erstmals Präsidentschaftskandidat. 1996 bis 1999 Jura-Professor in Danzig. 2000 bis 2001 Justizminister und Generalstaatsanwalt unter dem liberalkonservativen Solidarnosc-Premier Jerzy Buzek. In dieser Zeit erfolgen mehrere Strafrechtsverschärfungen, Lech Kaczynskis hartes Durchgreifen gegen Korruption und Kriminalität macht ihn zu einem der populärsten Politiker Polens. 2001 verläßt er die regierende Solidarnosc-Koalition AWS und gründet die rechtskonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwosc/PiS), sein Bruder Jaroslaw wird PiS-Chef. Seit 18. November 2002 ist er Bürgermeister (Stadtpräsident) von Warschau.

Nicht nur sein Ruf als harter Generalstaatsanwalt, sondern auch der von ihm vorangetrieben Bau des Museums über den Warschauer Aufstand 1944 und eines Denkmals für den ersten AK-General Stefan Rowecki brachte ihm viel Zustimmung ein. Am 19. März 2005 verkündete Lech Kaczynski seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen am 9. Oktober. Bei einem Wahlsieg strebt er eine Verfassungsänderung an, die dem Präsidenten mehr Vollmachten gibt.

Hinsichtlich der Präsidentschaftswahlen gibt es sehr unterschiedliche Prognosen. Laut einer Umfrage von Wirtualna Polska (Virtuelles Polen), die am 5. und 6. August durchgeführt wurde, liegen Lech Kaczynski mit 24 Prozent, der Postkommunist, Ex-Premier und derzeitige Sejm-Präsident Wlodzimierz Cimoszewicz mit 23 Prozent sowie PO-Fraktionschef Donald Tusk mit 22 Prozent Kopf an Kopf.

Sollte die PiS bei den Sejm-Wahlen am 25. September stärkste Partei werden, könnte Bruder Jaroslaw Kaczynski polnischer Ministerpräsident werden - falls Lech nicht Präsident wird.

Fotos: Lech Kaczynski in seinem Warschauer Büro des Stadtpräsidenten: "Wir sind gegen die liberale Utopie"

Lech und Jaroslaw Kaczynski 1962 (l.), 2004 (r.): "Unser Staat ist überfordert, er ist außerstande, alles zu reprivatisieren."


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