© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/05 19. August 2005

Rechte Töne von links
Wahlkampf: Die NPD hat bislang keine Strategie gegen die Linkspartei gefunden / Angriffe gegen Lafontaine
Peter Freitag

Anfang des Sommers machte eine etwas kurios anmutende Meldung die Runde: "Rechtsextreme könnten neue Linkspartei unterwandern", titelte die Welt am 1. Juli und zitierte entsprechende Warnungen des Verfassungsschutzes. Auf einschlägigen Internet-Seiten, so die Erkenntnisse der Geheimdienstler, hätten "Neonazis" dazu aufgefordert, der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) beizutreten. Ähnliche Töne hatte man zuvor schon auf einem Landesparteitag der sächsischen NPD aus dem Mund des Parteivorsitzenden Udo Voigt vernommen. Ziel der beabsichtigten Unterwanderung sei, im Linksbündnis "bestimmte politische Positionen, zum Beispiel wegen einer drohenden Überfremdung Deutschlands, zu besetzen", sagte Voigt im Juni.

Unabhängig von der Grundlage für solche Berichte sind diese ebenso schnell wieder aus den Medien verschwunden, wie sie auftauchten. Denn die vermeintlich beabsichtigte "feindliche Übernahme" findet nach dem derzeitigen Stand der Dinge - wenn überhaupt - umgekehrt statt. So weiß etwa die taz von der "Angst der Rechten vor der Linkspartei" zu berichten, und in der Tat sprechen einige Indizien dafür, daß der momentane "Hype" um die bunte Truppe unter Führung der Medienlieblinge Oskar Lafontaine und Gregor Gysi die selbsternannte "Volksfront von rechts" bei der Bundestagswahl einiges an Stimmen kosten könnte.

Momentan erreicht die Linkspartei in allen Umfragen zweistellige Werte. Im Osten der Republik, wo das Potential der von den etablierten Parteien Enttäuschten am größten ist, steht sie mit gut dreißig Prozent Zustimmung an der Spitze. Laut Richard Hillmer, dem Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap, stellen zwar die ehemaligen Wähler der SPD den größten Anteil der "Überläufer" (gefolgt von denen der CDU und der Grünen), immerhin fünf Prozent kommen jedoch von bisherigen Sympathisanten kleinerer Parteien, rechtsgerichtete eingeschlossen.

Die NPD rüstet zum Gegenangriff

Für diese Beliebtheit ist sicherlich nicht nur die Rhetorik Lafontaines in puncto "Fremdarbeiter" ausschlaggebend. Eine Rolle spielt auch das politische Feld, dem die NPD bei der sächsischen Landtagswahl ihren herausragenden Erfolg verdankt: die Sozialpolitik, konkret der Widerstand gegen die "Hartz-Reform".

Die NPD rüstet nun zum Gegenangriff. So will sie etwa Lafontaines Gegnerschaft in der Frage der deutschen Wiedervereinigung thematisieren. Wäre dies tatsächlich ein Manko, könnte die PDS/ Linkspartei kaum als stärkste Kraft in Mitteldeutschland reüssieren. "Nationale" Töne, ob von der NPD oder Kandidaten der Linkspartei, machen sicher nur das Beiwerk für die jeweilige Attraktivität unter der wachsenden Zahl der Protestwähler aus.

Unter den "Frustrierten" ist die "soziale Ungerechtigkeit" das Thema Nummer eins, und die Abwehr derselben gilt - ob aus emotionalen oder rationalen Erwägungen heraus - bei den Linken besser aufgehoben als bei den Rechten. Und selbst bei denjenigen, die mit einer gewissen Sympathie auf die junge NPD-Truppe blicken, wird sich spätestens unter dem Eindruck der derzeitigen Umfragewerte die Absicht durchsetzen, das Kreuzchen bei der Linkspartei zu machen, schon aus Angst, die Stimme ansonsten verschenkt zu haben. "Eine neue Linkspartei wird viel bündeln, was sonst nach rechts abgedriftet wäre", faßt daher auch der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg die Lage zusammen.

Wie dünnhäutig die NPD auf die mediale Präsenz der Linkspartei reagiert, ist unter anderem einem Artikel des sächsischen Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel im nationaldemokratischen Parteiorgan Deutsche Stimme zu entnehmen. Darin wird der prominente Saarländer als "Erzlinker" und "Wählertäuscher" dargestellt, der lediglich mittels "ungewohnt nationaler Töne" solche Wähler von der NPD abzuwerben, die nach Lafontaines eigenen Worten "irregeleitet" gewesen seien.

Lafontaines Rhetorik verfängt im Osten

So richtig diese Einschätzung, so subjektiv nachvollziehbar die Wut des NPD-Mannes darüber auch sein mögen, am Erfolg der Lafontaineschen Rhetorik dürfte es kaum etwas ändern. Dessen Plädoyer für eine Bevorzugung deutscher Arbeitnehmer oder seine These, Zuwanderung werde in Deutschland nur "von den oberen Zehntausend gefordert, die von deren Folgen gar nicht oder nur am Rande betroffen sind", mag man als Phrasen entlarven; den tatsächlich Betroffenen klingen sie dennoch überzeugend in den Ohren; und angesichts der Verlagerung der NPD auf den Kampf gegen Hartz IV kommt es manchem vielleicht in den Sinn, lieber das linke Original anstelle der rechten Kopie zu wählen.

Wenn Gansel dagegen aus Meinungsumfragen zitiert, wonach zwölf bis fünfzehn Prozent der Deutschen über ein "geschlossen rechtsextremes Weltbild verfügen", so geht er den (vorrangig linken) Auftraggebern solcher "Studien" gerade auf den Leim. Denn erstens liegt dem meist eine höchst zweifelhafte Definition von "Rechtsextremismus" zugrunde, und zweitens zielt der Alarmismus solcher Aussagen eher auf die Verunglimpfung der "bürgerlichen" Wählerschichten ab, als daß dadurch ein seriös verifizierbares Potential von Wählern der NPD vorhersagbar wäre. Selbst die nahezu zehn Prozent Wähler der NPD in Sachsen rekrutierten sich nicht in erster Linie aus überzeugten "Nationalisten", wie ein Anhänger der Partei zutreffend in einem Internet-Forum feststellte.

Neben der Propaganda der Postkommunisten macht den Nationaldemokraten vor allem auch der für sie ungünstige Wahltermin zu schaffen. Ihr Wahlkampf-Fahrplan ist vor allem dadurch ins Wanken geraten, daß die Bundestagswahl nicht mehr zeitgleich mit der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern stattfindet; nicht nur in finanzieller Hinsicht hatte sich die NPD davon eine Schonung ihrer äußerst knappen Ressourcen erhofft, auch ihre höhere Akzeptanz im Osten der Bundesrepublik sollte dabei für Rückenwind sorgen.


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