© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/05 12. August 2005

Ost-Nutella abgeschmiert
Sachsen: Schokocremehersteller Nudossi mußte Insolvenz anmelden / "Sächsische Lösung" bevorzugt
Paul Leonhard

Mehr als über "Freiheit, Bananen und Golf GTI" hat sich Katharina gefreut, daß es "nach zehn Jahren endlich wieder Nudossi" gab. Das sei fast ein Wunder, schreibt sie im Internet-Gästebuch der Sächsische Spezialitäten Hartmann GbR in Radebeul bei Dresden. Vor sechs Jahren wurde die Nuß-Nougat-Creme "Nudossi" wiederbelebt. Bei vielen Käufern weckte der Becher mit dem roten Deckel nostalgische Gefühle.

Zu DDR-Zeiten war der Haselnuß-Nougat-Brotaufstrich - wenn es nicht gerade mal wieder Rohstoffmangel und Lieferschwierigkeiten gab - fester Bestandteil des Kinder-Frühstückstischs. Nudossi galt als die "Nutella des Ostens". Mit auf 36 Prozent gesteigertem Haselnußanteil erkämpfte sich der Brotaufstrich aber auch Fans in den alten Bundesländern, wo zunächst vor allem Ex-DDR-Bürger "Nudossi" nachfragten. "Mußte die geliebte Heimat wegen der Arbeit verlassen. Habe mir immer beim Besuch einen Vorrat Nudossi mitgenommen", schreibt ein anderer im Nudossi-Gästebuch. "Hoffe, daß es weitergeht, ich habe nur noch 20 Packs - halte euch die Daumen."

Kämpfen und durchhalten fordern auch andere. Seit Ende Juli ist die Nudossi-Fangemeinde in Deutschland in heller Aufregung. Wegen anhaltender Liquiditätsprobleme mußten die Geschäftsführer Karl-Heinz und Thomas Hartmann Insolvenzantrag stellen. Als Grund wurde angegeben, daß die Banken Kredite gestrichen hätten und die für das Weihnachtsgeschäft - die Firma stellt auch Stollen, Marzipanbrote, Baumkuchen und Oblaten her - nötige Zwischenfinanzierung geplatzt sei.

Vom Geschick und der Innovationsfähigkeit der kleinen Unternehmen hängt es ab, ob sie sich im Markt halten können. Und es muß ihnen gelingen, von den großen Lebensmittelketten gelistet zu werden. Die Erfolgsrezepte der Traditionsfirmen sind dabei unterschiedlich. Der Görlitzer "Liebesperlen"-Hersteller Hoinkis beispielsweise setzt nicht mehr allein auf den deutschen Markt. Im westlichen Ausland sind seine Produkte bald bekannter als in Deutschland. Mit gezielten Werbeaktionen ist die Rudolf Hoinkis GmbH nun auch in Polen aktiv.

Nur wenige mitteldeutsche Firmen konnten sich halten

Wenige Kilometer entfernt von der Neißestadt Görlitz wird in Hirschfelde die Erfolgsgeschichte des im Osten beliebten Geschirrspülmittels "fit" fortgesetzt - der Marktanteil beträgt in den neuen Bundesländern über 40 Prozent. Damit ist "fit" Marktführer in Mitteldeutschland.

Als es dem (aus Westdeutschland stammenden) Eigentümer der Fit GmbH Hirschfelde, Wolfgang Groß, gar noch im August 2000 gelang, die westdeutschen Marken Rei, Rei in der Tube und Sanso vom US-Konzern Procter & Gamble zu übernehmen, gelang es erstmals, daß ein "Ost-Unternehmen" "West-Marken" kaufen konnte. Wenig später zog die Rotkäppchen Sektkellerei Freyburg/Unstrut nach. Im Januar 2000 erwarb das Traditionsunternehmen (1856 gegründet) die Sektmarken Mumm, Jules Mumm und MM sowie die dazugehörigen Produktionsstandorte Eltville und Hochheim.

Ebenfalls Insolvenz anmelden mußte dagegen im Juli das Dresdner Traditionsunternehmen für Schuhcreme Eg-gü GmbH (sechs Millionen Euro Umsatz). Der 1890 als Produktionsstätte für Bohnerwachs von Egbert Günther gegründete Betrieb präsentierte 1919 als Weltneuheit die Schuhcreme aus der Tube. 1972 enteignet, wurde Eg-gü 1990 reprivatisiert und als GmbH neu gegründet. Bei dem Schuhcremehersteller wie bei der Sächsische Spezialitäten Hartmann GbR in Radebeul (neun Millionen Euro Umsatz) bemühen sich die Insolvenzverwalter, daß die Produktion wieder anläuft.

Landespolitiker machen sich für eine "sächsische Lösung" stark. Die Lücke zwischen Ost und West werde wieder größer, wenn seitens der "Großindustrie ständig Rosinenpickerei in Ostdeutschland betrieben" werde, warnt Andreas Lämmel, Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der sächsischen CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung. Es mache keinen Sinn, wenn traditionelle mitteldeutsche Marken zwar weiterlebten, sie aber nichts mehr mit ihrer Herkunftsregion zu tun hätten.

Hintergrund ist offenbar, daß der Aachener Süßwarenproduzent Zentis (580 Millionen Euro Umsatz) trotz Dementis der Geschäftsführung immer wieder als potentieller Interessent ins Spiel gebracht wird. Die Nudossi-Fans hoffen dagegen auf die "sächsische Lösung". Die könnten der Feinkostanbieter Dr. Doerr Dresden (15 Millionen Euro Umsatz), die Union Bäckerei Emil Reimann Dresden, Chemnitz und Stuttgart (40 Millionen Euro Umsatz) oder der vor allem für "Russisch Brot" bekannte Dresdner Backwarenhersteller Dr. Quendt bieten.

Auch die Hallenser Schokoladenfabrik Halloren (Sachsen-Anhalt, 27 Millionen Euro Umsatz) interessiert sich für die Marke Nudossi. Auch Doerr ist lediglich an der Nuß-Nougat-Creme interessiert, von der jährlich etwa 1.300 Tonnen in Radebeul abgefüllt werden. An den anderen Produkten und den Vadossi-Geschäften sei man nicht interessiert, teilte Geschäftsführer Christian Doerr mit. Die Union Bäckerei würde dagegen die gesamte Produktionspalette einschließlich Filialen übernehmen.

Die Insolvenzverwalter sondieren zurzeit die Angebote. Gleichzeitig soll die Produktion wieder anlaufen, um die Lieferverträge gegenüber den Supermärkten erfüllen zu können. Den Schwerpunkt bietet dabei Nudossi als das am meisten nachgefragte Produkt. Aber auch etwa 400.000 Stollen müssen die Radebeuler liefern.


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