© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/05 22. Juli 2005

Ruppige Kritik
Steinbach im Kreuzfeuer
Werner Olles

Im Herbst dieses Jahres legt Professor Micha Brumlik sein Amt als Direktor des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt am Main nieder. Die Suche mach einem geeigneten Nachfolger für die Leitung des 1995 ins Leben gerufenen Studien- und Dokumentationszentrums zur Geschichte und Wirkung des Holocaust gestaltete sich bis jetzt unerwartet schwierig. Allerdings hat nun Peter Steinbach, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Karlsruhe, seinen Hut in den Ring geworfen. Als wissenschaftlicher Leiter trägt Steinbach seit 1983 Verantwortung für die ständige Ausstellung "Widerstand gegen den Nationalsozialismus" und seit 1989 für die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die beide in Berlin beheimatet sind.

Da der derzeitige Amtsinhaber Brumlik großen Wert darauf legt, "jeden Bewerber genau auf seine wissenschaftlichen Beiträge zur Holocaustforschung im engeren Sinne zu befragen", mutmaßt die FAZ in einem am 5. Juli geführten Interview mit dem Historiker, daß dies nicht gerade wie eine Unterstützung für Steinbach klinge. Zudem werde ihm vorgehalten, in einem Gutachten über den Wiesbadener Heimatdichter Rudolf Dietz, der im Kaiserreich aufgewachsen war und vor der Zeit des Dritten Reiches einige antisemitische Gedichte geschrieben hatte (JF 29/04), nicht ausdrücklich empfohlen zu haben, die nach Dietz benannte Grundschule in Naurod umzubenennen.

Prompt wurde Steinbach auch vorgeworfen, mit seiner Entscheidung "das Werk von Dietz zu rechtfertigen", was dieser in dem FAZ-Interview jetzt noch einmal scharf zurückwies. Allerdings werde "dieser Zusammenhang zwischen dem Gutachten und meiner Bewerbung möglicherweise aus taktischen Gründen von interessierter Seite in Frankfurt hergestellt", so Steinbach, der es als sein Ziel angab, "auch im Zusammenhang mit Umbenennungen die Diskussion über die Vergangenheit offenzuhalten und sie nicht durch eine schnelle, diskussionslose Umbenennung der Schule zu beenden."

Auf die Frage nach der "interessierten Seite", von der Steinbach gesprochen hatte, wich dieser zunächst aus, nannte jedoch dann den derzeitigen Gastprofessor am Fritz-Bauer-Institut, Götz Aly, der "mich nicht mag, was zuletzt seine ruppige Kritik an den Gedenkstätten und deren Mitarbeitern in Berlin gezeigt hat". Obwohl Aly immerhin von "üppig dotierter Verwahrlosung" gesprochen habe, traue er ihm aber nicht zu, "die maßgeblich treibende Kraft" zu sein. Auf das von den beiden FAZ-Redakteuren Heidi Müller-Gerbes und Stefan Toepfer immer wieder angesprochene "Gefälligkeitsgutachten" für die Auftraggeberin, die Stadt Wiesbaden erklärte Steinbach noch einmal, daß es ihm in erster Linie um "Aufklärung" gehe. Dies schließe auch "die Debatte über die fünfziger Jahre ein, in denen die Schule ohne kritische Rückfrage ihren Namen bekommen habe". Allerdings könne die Einsicht, "daß Dietz als Namensgeber für eine Grundschule nichts taugt, nicht vorgeschrieben werden", sondern höchstens am Ende einer Diskussion stehen, die zu moderieren er gerne bereit sei.

Steinbach ist es immerhin hoch anzurechnen, daß er auf die inquisitorischen Fragen der FAZ-Redakteure zu seinem Gutachten über den Heimatdichter Rudolf Dietz ("Hat er mit seinen antisemitischen Gedichten, die er vor 1933 verfaßt hat, den Boden für einen gewalttätigen Judenhaß nicht mit vorbereitet?" - "Also hat er mit seinen Versen letztlich Gewaltbereitschaft Juden gegenüber gefördert?") sich nicht von dem "umstrittenen Gutachten" (FAZ) distanziert hat. Daß dies wohl eher eine Belastung für seine Bewerbung bedeutet, darf man annehmen.


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