© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/05 15. Juli 2005

Schwarz-Rot-Gold: Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 als Chance
Deutschland zeigt Flagge
Clemens Walter

Der beinahe einzige Ausnahmetatbestand, in welchem die Deutschen freiwillig ihre Nationalflagge zu schwenken bereit sind, setzt augenscheinlich das erfolgreiche Abschneiden der Fußballnationalmannschaft voraus, wie etwa 2002 der Titel des Vizeweltmeisters. Zu anderen Anlässen, dem Tag der Deutschen Einheit beispielsweise, sieht man sie - seltsamerweise - nur selten, weshalb sie dort beinahe befremdlich wirkt. Der Vorwurf der Deutschtümelei oder gar des Rechtsextremismus läßt dann nicht lange auf sich warten, wenn doch mal jemand wagt, außerhalb des Fußballplatzes - auf dem ja bekannlich die Wahrheit liegt - die Nationalflagge zu schwenken.

Schnell erhebt sich der Vorwurf der Deutschtümelei

Als beispielsweise im Jahr 1997 der Tag der Deutschen Einheit in Stuttgart gefeiert wurde, waren in der Menschenmasse einzig zwei junge Männer mit der Deutschland-Fahne zu sehen - dankbar für die Kameras der Tagesschau, weniger für eine Reihe von Passanten. Deren erste Frage lautete sogleich: "Seid ihr rechtsextrem?" Dabei müßte ein aufgeklärtes Publikum wissen, daß die schwarz-rot-goldene Trikolore, die zugleich die älteste deutsche Flagge ist, von den rechtsextremistischen Skinheads konsequent abgelehnt wird. Schwarz-Rot-Gold wehte in Deutschland erstmals in der Zeit von 1848-1866, ein zweites Mal in der "Weimarer"-Zeit von 1919-1933. Dazwischen, in der Zeit des Norddeutschen Bundes (1867-1871) und während des Kaiserreiches (1871-1918), galt die schwarz-weiß-rote Fahne als Nationalflagge. Nach dem Ende der NS-Herrschaft kamen sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR auf die schwarz-rot-goldene Variante zurück, wobei die DDR im Jahre 1955 per Gesetz das Staatswappen mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz bestimmte; dieses wurde Ende 1959 als Wappen in die Staatsflagge eingefügt. Von nun an tat das DDR-Regime auf seine unnachahmliche Art so, als gäbe es Schwarz-Rot-Gold nicht, und in der Bundesrepublik und West-Berlin wurde das öffentliche Vorzeigen der DDR-"Spalterflagge" bis Ende der sechziger Jahre als ein Verstoß gegen die Verfassung und die öffentliche Ordnung angesehen und durch polizeiliche Maßnahmen ver- oder besser behindert.

Obwohl Bonn im Jahre 1969 verfügte, "daß die Polizei nirgendwo mehr gegen die Verwendung von Flagge und Wappen der DDR einschreiten solle", geschah dies selbst noch in den achtziger Jahren, wie eine Anekdote des Ost-Berliner Rocksängers André Herzberg von der Band "Pankow" belegt. Als dieser unlängst die Bühne des "Tempodroms" betrat, hing dort eine DDR-Fahne. Sichtlich irritiert erinnerte sich der Sänger: Ende der achtziger Jahre war es gewesen, als seine Band - ausgerechnet am 7. Oktober, dem "Republiksgeburtstag" der DDR - ebenda im Tempodrom ein Gastspiel geben sollte. Dort hatte jemand eine DDR-Fahne gehißt, die sofort die West-Berliner Polizei auf den Plan rief. Erst nachdem die Fahne entfernt worden war, konnte das Konzert beginnen. Ausnahmen bestätigen eben die Regel. Mittlerweile ist die DDR-Fahne ein dubioses Lifestyle-Accessoire: als Touristen-Attraktion in den Me-morabilia-Läden am Berliner Checkpoint Charlie oder als Ostalgie-Element in irgend einem übrig gebliebenen Stadion der Freundschaft.

Versessenheiten und Verrenkungen um die Fahne

Doch glücklicherweise gibt es auch noch gewissenhafte und vor allem innovative Flaggen-Geschichten, die nicht mit Empörungen, Versessenheiten und Verrenkungen einhergehen.

Knapp ein Jahr vor Beginn der Fußball-WM in Deutschland stellt nämlich die Initiative "Deutschland zeigt Flagge" ihre speziell dafür entwickelte "Fensterflagge" vor, die in den Varianten aller 32 teilnehmenden Nationen angeboten wird. Mit den Maßen von 30 x 45 cm ist sie zwar deutlich größer als die in der DDR unter dem Namen "Winkelement" firmierenden Papierfähnchen, aber doch handlich genug, um in ähnlicher Weise geschwenkt oder - besser noch - an Fenstern, Häuserwänden oder Autos befestigt zu werden. Mit einem Teil des Erlöses sollen humanitäre Projekte unterstützt werden. Auf der Internetpräsenz der Initiative " www.Deutschland-zeigt-Flagge.de " sind jene Projekte aufgelistet, die von dem Geschäft profitieren sollen. Dabei geht es nicht um irgendwelche abstrakten Fördermaßnahmen, sondern gezielt um konkrete Projekte. Die Organisation "Vision Hope" etwa ist im Jemen aktiv, wo der Bau und die Instandhaltung von Regenwasserzisternen unterstützt werden soll.

Gut umrahmt wird sich nun bald zeigen, wie es das "moderne" Deutschland so mit dem Flaggezeigen hält.


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