© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/05 15. Juli 2005

Die Woche
Zurück nach Weimar
Fritz Schenk

Sollte der Bundespräsident in einer Woche den Weg zu vorgezogenen Neuwahlen freigeben, würde nicht nur das ungute Erinnerungen an den Untergang der Weimarer Demokratie wecken. Schließlich war eines der wesentlichen Merkmale dieses "Systems", wie es herabwürdigend und verächtlich von den Demokratiefeinden von links und rechts genannt wurde, daß es keine der vorgesehenen Legislaturperioden überstand, und sich Reichstagswahlen in kurzen Folgen ablösten. Je öfter, um so mehr zum Nachteil der demokratischen Mitte, deren Parteien schließlich von den doktrinären Rändern aus rot, braun und schwarz-weiß-rot zerrieben wurden. Auch das, was sich bisher an der Art und den Themen erkennen läßt, die den Wahlkampf prägen werden, erinnert erschreckend an "Weimar".

Damals kämpften Links und Rechts im Gleichklang. Vor allem die Nationalsozialisten übertrumpften die Kommunisten noch in der Beschimpfung von Reichen, Kapitalisten und Pluto-kraten (womit sie vor allem jüdische und international tätige Unternehmer aufs Korn nahmen), versprachen deren "rücksichtslose Entmachtung" und durch Umverteilung ihrer Reichtümer den Armen und Arbeitslosen nicht nur das Ende ihrer Nöte, sondern das künftige Himmelreich auf Erden.

Kurt Schumacher, der erste große Nachkriegsvorsitzende der SPD, hatte damals Joseph Goebbels, den lautesten antikapitalistischen Trommler der Nazis, den "personifizierten Appell an den inneren Schweinehund im Menschen" genannt. Haß, Neid und Mißgunst bestimmten fast ausschließlich die innenpolitischen Inhalte der Auseinadersetzungen jener Zeit in Deutschland.

Schon der jetzige Vorwahlkampf hat den unangenehmen Beigeschmack der billigen und intellektuell primitiven Demagogieküche Weimarer Prägung. Das begann bereits im nordrhein-westfälischen Wahlkampf mit der Kapitalismusschelte von SPD-Chef Franz Müntefering und setzt sich nun fort mit der Forderung der Sozialdemokraten nach einer "Reichensteuer". Ein gefundenes Fressen für Oskar Lafontaine, und seine Nach-wie-vor-Sozialisten der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit, die jetzt zusammen mit der PDS die alte SED voll wieder aufleben lassen wollen. Daß Rechts heute keine ernstzunehmende Rolle spielt (auch wenn die linken Dauermahner permanent aus Mücken Elefanten zu machen versuchen), muß nicht so bleiben. Auch die Nationalsozialisten waren zu Anfang der dreißiger Jahre noch ein unbedeutender Haufen grölender Chaoten. Doch die Machtkämpfe innerhalb der Linken schaukelten die Nationalsozialisten hoch, bis sie schließlich sogar zur stärksten Fraktion im Reichstag aufstiegen. Damit war die Todesstunde von Weimar eingeläutet.

Der neue Linksdrall hat neben dem Wiederaufleben billigster Demagogie noch eine zweite Wirkung. Die ohnehin seit jeher links anfällige Union hat - ebenfalls wie das Zentrum in der Weimarer Zeit - ein Wahlprogramm vorgelegt, daß vor allem Angst vor dem Geschrei der Linken offenbart. Alle wirklich notwendigen Einschnitte in unsere weit überforderten Sozialsysteme bleiben unerwähnt. Von konsequenter Reformpolitik kann daher nicht im mindesten gesprochen werden. Es läßt Hintertürchen für alle möglichen politischen Bündnisse offen, kurz: Opportunismus pur! Daß Deutschland so wieder auf die Beine kommen soll, glauben wohl nicht mal Merkel und Stoiber.


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