© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/05 15. Juli 2005

Nach dem Machtwort aus Karlsruhe
Pressefreiheit: Der Prozeß der JUNGEN FREIHEIT gegen den Verfassungsschutz geht in die nächste Runde
Dieter Stein

Nach der vom Bundesverfassungsgericht am 28. Juni veröffentlichten Entscheidung zur Verfassungsbeschwerde der JUNGEN FREIHEIT gegen den Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen ist die juristische Auseinandersetzung noch nicht beendet. Die Karlsruher Richter haben das im August 1996 durch die Klage der JF eröffnete Verfahren gegen den NRW-Verfassungsschutz mit erheblichen Auflagen an das Verwaltungsgericht Düsseldorf zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen (siehe Berichte in JF 27 und 28/05).

Parallel sind seit Oktober 2003 zwei weitere Verfahren offen. Da sich die jetzt vom Bundesverfassungsgericht behandelte Klage der JF lediglich auf die Verfassungsschutzberichte der Jahre 1994 und 1995 bezog, hatte diese Zeitung 2003 aufgrund der fortgeschrittenen Zeit vorsorglich ein neuerliches Verfahren gegen den damals aktuellen Bericht für das Jahr 2002 des Landes NRW beim Verwaltungsgericht Düsseldorf eingereicht.

Ferner reichte diese Zeitung im Oktober 2003 auch eine Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart gegen den baden-württembergischen Verfassungsschutz ein, da dort im 2001 publizierten Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2000 die Lesart des NRW-Verfassungsschutzes übernommen worden war, bei der JUNGEN FREIHEIT lägen "Anhaltspunkte für den Verdacht" auf rechtsextremistische Bestrebungen vor.

Beide 2003 eingereichten Klagen lagen indessen auf Eis, da das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung in der Grundsatzfrage der Verfassungsbeschwerde angekündigt hatte und die Verwaltungsgerichte dieses Urteil abwarten wollten, bevor sie beraten. Nun müssen die Erörterungen darüber neu aufgenommen werden und die Verwaltungsrichter unter den neuen Bedingungen des Karlsruher Urteils eine Entscheidung treffen.

Fest steht aber schon jetzt: Der Spielraum für den Mißbrauch des Verfassungsschutzes und des Verfassungsschutzberichtes sowie für Eingriffe in Presse- und Meinungsfreiheit ist enger geworden. Das Ergebnis der Verfahren bleibt dennoch offen.

Es sei denn, die Innenminister von NRW, Ingo Wolf (FDP), seit Juni 2005 im Amt, und Baden-Württemberg, Heribert Rech (CDU), seit Juli 2004 im Amt, entschließen sich, daß peinliche politische Erbe ihrer Amtsvorgänger zu beerdigen und zu erklären, daß die bisherige "Beobachtung" (das heißt Erwähnung im Verfassungsschutzbericht) der JF beendet wird. Inzwischen mehren sich die Stimmen in den Medien, die diese notwendige politische Korrektur fordern. Es wird ein grundsätzliches Überprüfen der Tätigkeiten und Verbindungen des Verfassungsschutzes gefordert. So schrieb die FAZ am 30. Juni: "Die neue Landesregierung in Düsseldorf wird gut daran tun, das Landesamt für Verfassungsschutz gründlicher unter die Lupe zu nehmen - denn dort hat man sich über die Jahre zu Fachtagungen über 'Rechte' als Experten die merkwürdigsten Antifa-Matadore verschrieben und dergestalt die korrekte Definition dessen, was rechts und was extrem ist, von linksaußen liefern lassen."

Unklar ist auch, wer für die durch die jahrelange staatliche Diskriminierung entstandenen wirtschaftlichen Folgen aufkommen wird. Die JF hat den durch Einschränkungen des Vertriebs und der Abowerbung infolge der Erwähnung im NRW-Verfassungsschutzbericht verursachten Schaden einmal auf jährlich 500.000 Euro beziffert. Dies wäre ein Betrag von 5,5 Millionen Euro seit Beginn der Diskriminierung im Jahre 1995. Der von der JUNGEN FREIHEIT angekündigte Prozeß wegen Schadenersatzes kann jedoch erst angestrengt werden, wenn die Grundsatzverfahren abgeschlossen sind.

 

Die verantwortlichen Innenminister:

Dr. Ingo Wolf MdL, Innenminister des Landes NRW, Haroldstraße 5, 40213 Düsseldorf, Tel.: 02 11 / 871-0, Fax: 02 11 / 871-33 55, poststelle@im.nrw.de 

Heribert Rech MdL, Innenminister von Baden-Württemberg, Dorotheenstraße 6, 70173 Stuttgart, Tel.: 0711 / 231-4, Fax: 0711 / 231-30 39, innenminister@im.bwl.de

 

Foto: Ingo Wolf (FDP), Innenminister von NRW (links), Heribert Rech (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg: Peinliches Erbe zu verwalten


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