© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/05 15. Juli 2005

Bis zum großen Knall
Terrorabwehr I: Nach den Anschlägen in London suchen die politischen Parteien hierzulande nach dem richtigen Weg zur Gefahrenabwehr
Paul Rosen

Schon bei der Verabschiedung der Sicherheitsgesetze nach den Anschlägen von New York und Washington am 11. September 2001 freuten sich Unionspolitiker unter der Hand, daß Rot-Grün mit dem "Roten Sheriff" Otto Schily (SPD) als Innenminister regierte und nicht eine Koalition aus Union und FDP. Denn mit den Liberalen, so die Einschätzung, seien die zahlreichen Verschärfungen von Sicherheitsgesetzen nicht zu machen gewesen. Auch nach den Bombenanschlägen von London wurde klar, daß ein Riß durch das bürgerliche Lager geht, ehe es die Regierungsmacht in Berlin überhaupt übernommen hätte. Während die Unionsparteien als Konsequenz aus London schärfere Gesetze ("Schließen von Sicherheitslücken") verlangen, lehnte die FDP dies sofort ab.

Die Sicherheitslage in Deutschland ist nicht die beste. Ganze Viertel in Großstädten wie Berlin sind aufgrund eines hohen Ausländeranteils regelrecht umgekippt und von deutschen Sicherheitskräften kaum noch zu kontrollieren. In diesen Milieus finden auch radikal-islamische Kräfte Unterschlupf. Deutsche Großstädte gelten schon lange als Vorbereitungs-, Ruhe und Rückzugsraum für Terroristen, wie auch die Ermittlungsergebnisse nach den Anschlägen in den USA gezeigt haben. Viele Spuren führten nach Deutschland.

Terroristen benötigen für Anschläge eine relativ lange Vorbereitungszeit, im Falle der Flugzeugentführungen in den USA waren es mehrere Jahre. Da trifft es sich gut, daß es sich in Deutschland ruhig leben läßt. Das Land liegt zentral in der westlichen Welt und hat offene Grenzen. Ein deutscher Paß ist relativ leicht zu bekommen. Da die Bundesregierung im Irakkrieg nicht mitmachte und die Bundeswehr dem Treiben der Drogenbosse in Afghanistan, die Terrorbanden wie al-Qaida finanziell unterstützen, tatenlos zusieht, fehlen Anreize, in Deutschland Anschläge durchzuführen. Das könnte sich jedoch ändern: Mit dem Weltjugendtag findet in diesem Sommer eines der größten Treffen von Katholiken auf der ganzen Welt in Deutschland statt. Die katholische Kirche ist gerade bei islamistischen Kräften verhaßt. Und bei der Fußball-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr dürfte der Reiz steigen, auch Deutschland als Ziel von Anschlägen auszuwählen. Schon 1972 bei den Olympischen Spielen in München ließen sich palästinensische Terroristen die Möglichkeit, eine blutige Spur des Terrors zu ziehen, nicht entgehen. "Wir leben unter einer fortwährenden terroristischen Bedrohung. Das ist kein Spuk", sagte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning.

Verdächtige Ausländer sollen schneller abgeschoben werden

Die Union hat in ihr Wahlprogramm eine ganze Litanei von zusätzlichen Sicherheitsmaßnehmen aufgenommen. Dazu gehört ein gemeinsames Informations- und Analysezentrum, in dem die Informationen aller Polizeien und Behörden im Sicherheitsbereich sowie von der Bundeswehr zusammengeführt werden. Außerdem verlangt die Union eine Zusammenlegung aller Anti-Terror-Dateien vom Bundeskriminalamt bis zum BND. Terrorverdächtige Ausländer sollen schneller gefaßt und abgeschoben werden können. Außerdem will die Union die Bundeswehr in besonderen Bedrohungslagen auch im Inland einsetzen. Deutsche Soldaten würden im Ausland Objektschutz durchführen. Es sei nicht einzusehen, daß die Soldaten dies nicht im Inland tun dürfen, sagte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Die anderen Bundestagsparteien reagieren bisher mir Ablehnung. "Wir brauchen nicht in Hektik neue Gesetze", sagte SPD-Chef Franz Müntefering am vergangenen Wochenende auf einem SPD-Landesparteitag in Bochum. Das SPD-Präsidiumsmitglied und neue Hoffnung der Parteilinken, Andrea Nahles, warf der Union vor, die Angst der Menschen auszunutzen, um die Trennung von innerer und äußerer Sicherheit zu unterlaufen.

Die Grünen signalisieren ebenfalls Ablehnung. Der Grünen-Innenexperte Volker Beck warf der Union sogar eine "Militarisierung der Innenpolitik" vor. In das gleiche Horn bläst die FDP. Mit den Liberalen werde es keine populistischen Schnellschüsse geben, so die ehemalige Generalsekretärin Cornelia Pieper. Es nütze nichts, "alte Vorschläge, die zu Recht bisher abgelehnt worden sind, wieder aus der Schublade zu ziehen", sagte der FDP-Innenexperte Max Stadler.

Schon jetzt dürfte klar sein, daß die Union die Zustimmung der Sozialdemokraten zu einer Grundgesetzänderung für den Einsatz der Bundeswehr im Innern nicht bekommen wird. Vermutlich dürfte im Fall eines Wahlsieges von Union und Liberalen nicht einmal die FDP bei der Aktion mitmachen, so daß gar kein Gesetzentwurf einer neuen Koalition zustande kommen würde. Auch bei den anderen Initiativen, die die Union vorgeschlagen hat, dürfte sich die FDP als Lordsiegelbewahrer vermeintlicher Freiheiten und Bürgerrechte aufspielen, um sich in einer neuen Regierung als eigenständige Kraft profilieren zu können.

So bleibt nur die Erkenntnis, daß es auch im neuen Bundestag keine Mehrheiten für die Schließung von durchaus existierenden Sicherheitslücken geben wird. Es muß offenbar erst etwas passieren in Deutschland, damit in der Politik etwas geschieht.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen