© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/05 08. Juli 2005

Leserbriefe

Zu: "Ohne Staat geht es nicht" von Götz Kubitschek, JF 27/05

Tollkühner Versuch

Der nicht ganz unkluge Beitrag zu Hoppes libertären Windbeutelthesen war nicht nur lesenswert, weil er die Uraltthematik von Staatlichkeit und Anarchie aus aktuellem Grund neu beleuchtet, sondern auch deshalb, weil er den tollkühnen Versuch unternimmt, eine historische Aporie mit dem Zauberbegriff "Preußen" zu lösen.

Ich will nicht spenglernd darauf verweisen, daß sich die britische, französische oder gar chinesische Staatsform in den Wirren der Geschichte sehr viel beständiger erwies als die preußische mit ihren 300 Jährchen, sondern als passionierter süddeutscher Anarch augenzwinkernd anmerken, welche Erfolgsstory doch mit dem Alternativentwurf verbunden ist, der gewöhnlich mit Wiener Schlamperei in Verbindung gebracht wird. Denn diese ist eine praktikable Melange aus Freiheit und Ordnung, die Thomas Bernhard als "naturgemäß" charakterisiert hätte. Statt einer Borussofizierung der Zukunft also lieber ein: Küß' die Hand Frau Historia, sie werden mit ihren schönen, blauen Augerln doch nimmermehr auf Abwege geraten? Melde gehorsamst Herr Oberleitnant, daß nein!

Sepp Englmann, Johannesberg

 

 

Zu: "Das Ende der Schuld" von Thorsten Hinz, JF 26/05

Geschichte einfach ausblenden

Es ist mir unbegreiflich, wie eine sich als konservativ verstehende Zeitung eine solche These vertreten kann, wie sie in dieser Überschrift zum Ausdruck kommt: Die Schuld ist abgetragen! Vergeßt den Holocaust! Alles wieder auf Anfang! Wer von Völkern, Nationen, Staaten nichts hält, der kann so reden; der mag sagen: Was geht mich die Schuld meiner Vorfahren an - ich habe damit nichts zu tun! Aber wer sich als Deutscher fühlt, wer sich als in der deutschen Geschichte stehend sieht, wer womöglich sogar Stolz empfindet angesichts der Errungenschaften der deutschen Kultur, der kann nicht diejenigen Ereignisse der deutschen Geschichte einfach ausblenden, die nicht in sein Bild passen. Das eine tun, ohne das andere zu lassen: Der eigenen Leiden gedenken, ohne die anderen angetanen zu verschweigen; Selbstbewußtsein aus den Leistungen der Vergangenheit beziehen und doch niemals jene ungeheure Untat vergessen - das ist die schwere Aufgabe, vor der wir stehen. Der schlichte Ruf nach einem "Schlußstrich" sollte unter dem Niveau eines jeden Konservativen sein.

Gerhard Vierfuß, Oldenburg

 

Gewinnung der Zukunft

Die richtigen Bemerkungen zu den Hoffnungen auf die Gewinnung der Zukunft für die Deutschen und das endliche Heraustreten aus dem Schatten Hitlers wie auch Ihre Vorschläge zu einer positiven Bevölkerungspolitik sollten Sie als Wahlprüfsteine für alle Kandidaten der Union, Liberalen und Sozialdemokraten formulieren, damit sie auf ein Programm verpflichtet werden, das endlich aus der Hoffnungslosigkeit der Bürger herausführt, die den "Karren Deutschland" ziehen und auch in den nächsten Generationen ziehen müssen. Nur so hat die teure vorgezogene Wahl, wie sie der Kanzler gedacht hat, überhaupt Sinn.

Georg K. Schmelzle, Norden

 

 

Zu: "Europa der Vaterländer" von Peter Lattas, JF 26/05

"Idee Europa" als Schimäre

In der Präambel zur Europäischen Verfassung steht unter anderem: "Entschlossen, das Werk, das im Rahmen der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrages über die Europäische Union geschaffen wurde, unter Wahrung der Kontinuität des gemeinschaftlichen Besitzstandes fortzuführen."

Was nehme ich als Realität wahr: Selbstdarsteller als Regierungschefs, die ein gigantisches Bühnenstück inszenierten, an dessen Ende die Seifenblase der angeblichen Gemeinsamkeiten geplatzt ist. Die Egomanen, die sich Politiker Europas nennen und mit hehren Worten um die Zustimmung einer Verfassung warben, sind in Wahrheit gescheiterte Krämerseelen, die im Namen nationaler Lobbyisten handeln und dabei die "Idee Europa" zur Schimäre verkommen lassen. Schlechte Zeiten für die Völker Europas.

Karl-Heinz Westenhöfer, Per E-Post

 

 

Zu: "Aufgeschnappt: Fragwürdige Patensuche" von Matthias Bäkermann, JF 26/05

Dem Zeitgeist angepaßt

Wer sich auf vielen Gebieten mit solchen Aktionen einen Namen machen will, das sind Kommunisten, die sich dem heutigen Zeitgeist anzupassen versuchen. Weil ich in meiner Jugendzeit 1940 mit "Kommunistensohn" beschimpft wurde, deshalb weiß ich, wovon ich rede. Es war kein "Nazi", der mich damals so bezeichnete, sondern ein Kollege, der sich unbedingt öffentlich mit dem Zeitgeist identifizieren wollte. Wer jetzt gegen den heutigen Zeitgeist argumentiert, der wird sofort als Antidemokrat oder als Antisemit oder als Antimodernist bezeichnet und in die "rechte Ecke" gestellt.

Martin Haverkamp, Bielefeld

 

 

Zur Meldung "Stammzellenbiologie für neue Therapien nötig", JF 26/05

Heilung auf Kosten anderer

Was ist das für eine neue Therapieform, welche nach Hubert Markl von der Max-Planck-Gesellschaft gefördert werden soll, aber auf dem Leichenfeld vieler Embryonen aufgebaut ist? Werden einem Embryo, welcher ein ganzer Mensch mit einer unsterblichen Seele ist, Stammzellen entnommen, so stirbt dieser kleinste Mensch. Nur ein wirklich abgebrühter, durch und durch böser Mensch wird die Heilung von einer Krankheit, welche auf Kosten kleinster schutzbedürftiger Menschen geschieht, wirklich wollen. Embryonale Stammzellenforschung ist für einen jeden Menschen, der noch Gottesverehrung in sich trägt, aber auch für jeden, der noch wahrlich menschliche Empfindungen in sich hat, völlig abzulehnen.

Oskar Schmitt, Rimpar Maidbronn

 

 

Zu: "Saniert für den Abriß" von Paul Leonhard, JF 26/05

Verfahrene Situation

Als die Mauer fiel, war das aber irgendwie vorauszuahnen. Wer hätte auch zu DDR-Zeiten an Arbeitslosigkeit sowie eine Hartz IV-Reform gedacht? Sicher ist, daß der Aufbau Ost völlig danebenging und ich selbst (1941 in Thüringen geboren) viele Menschen drüben sehr gut verstehen kann, wenn sie abwandern und irgendwo anders sich eine Zukunft schaffen wollen.

Da ich noch Kontakte nach Thüringen habe, weiß ich von dem dortigen Wunsch: Wäre die Mauer besser geblieben, die Ostmark und die Arbeit - nicht gerade viel, aber doch besser als die jetzige unglückliche, verfahrene Situation.

Uta Fritzsche, Mönchengladbach

 

 

Zu: "Pankraz, der Wassertropfen und die 'Folter light'", JF 26/05

Sehr unangebracht

Folter zu befürworten, wie ich es in diesem Leserbrief tue, ist eine sehr heikle Sache. Aber um der Wahrheit willen widerspreche ich Pankraz, der schreibt: Kein Folterer ist ein verläßlicher Informationsbeschaffer. Dies kann man so nicht behaupten. Informationen, die man durch Folter erhält und die nachprüfbar sind, können sich als wahr herausstellen. Ist Pankraz nicht die Folterandrohung des Polizeipräsidenten Daschner gegenüber dem Verbrecher Gäfgen in Erinnerung, die zur Auffindung des Versteckes des Entführten führte?

Wenn es um Leben und Tod geht und wenn durch Folter (unter ärztlicher Aufsicht) die Ermordung von Menschen verhindert werden kann, ist Folter das kleinere Übel. Folterer pauschal als Lumpen und Sadisten zu bezeichnen, halte ich für sehr unangebracht.

Gerhard Wagner, Ratingen

 

 

Zu: "Nur seine persönliche Meinung" von Alexander Barti, JF 26/05

Hinter Potsdam verstecken

Ungarn sollte sich erst einmal für seine eigenen Vertreibungsdekrete entschuldigen, statt sich hinter Potsdam zu verstecken.

Franz Wesner, Dortmund

 

 

Zu: "Gehaßt, verdammt, vergöttert" von Jörg Fischer, JF 26/05

Zwei Festtage

Nach 25 Jahren der politisch korrekten Verfolgung durch die linke Meinungsdiktatur ist das Ergebnis eindeutig. Die Böhsen Onkelz mobilisieren trotz Diffamierung und vieler Spielverbote im Radio das mit 120.000 Besuchern größte Freiluftkonzert der deutschen Geschichte. Größer kann der Tritt in den Wertesten der 68er Gesinnungswächter nicht sein. Für mich waren es nicht nur in musikalischer Hinsicht zwei Festtage. Danke, Onkelz, und Adios.   

André Reinecke, Panketal

 

 

Zu: "Hart aber fair" von Clemens Walter, JF 26/05

Nun bin ich hellhöriger

Auch ich schätzte diese Sendung, bis in einer Folge kurz vor der Nordrhein-Westfalen-Wahl beim Auftritt "Müntes" unverhohlen SPD-Wahlwerbung betrieben wurde. Seither bin ich hellhöriger.

Eberhard Koenig, Baiern

 

 

Zu: "Wir brauchen die Kulturrevolution", Interview mit Günter Rohrmoser, JF 25/05

Ein internationales Problem

In dem sehr lesenswerten Interview vergißt Professor Rohrmoser, daß es sich bei der "political correctness" um ein internationales Problem handelt, das zum Beispiel in den Vereinigten Staaten und auch bei unseren Nachbarn in Frankreich genauso präsent ist wie bei uns, mit dem Unterschied, daß es dort Kräfte gibt, die sich dagegen zur Wehr setzen!

Knut Frenzel, Kiel

 

Alte Gesäßgeographie

Die Wahlempfehlung Günter Rohrmosers für die Union kann ich nicht nachvollziehen. Angela Merkel und ihr Team denken doch gar nicht daran, ihren an den linksliberalen Medien orientierten Kurs aufzugeben, auch wenn "heimatlose" Konservative ihnen ihre Wahlstimme geben (was ja auch gar nicht beweisbar wäre).

Ich bin sicher: Wenn ein ähnlicher Fall wie die "Affäre" Martin Hohmann - die ja in Wirklichkeit nicht ein Skandal um Hohmann, sondern einer um die Truppe Merkel/Rüttgers/Stoiber ist - auftauchte, würde die CDU-Führung die Sache und den Betroffenen in der gleichen widerwärtigen Form erledigen. Ehe ich denen meine Stimme gebe, bleibe ich lieber zu Hause.

Außerdem scheint mir die Abqualifizierung der NPD als "linke" Partei nicht ganz verständlich. An ihr wird deutlich, daß die alte Gesäßgeographie mit der säuberlichen Einteilung in links und rechts heute nicht mehr stimmt, weil sie auf einem Politikfeld mehr links, in anderen Feldern mehr rechts ist.

Gert Ziegler, München

 

 

Zu: "Verliebt in eine Echse" von Werner Olles, JF Nr. 25/05

Eine seltsame Sache

Während man "Liebesgefühle für tote Gegenstände, wie einen Turm ein Schiff oder einen Wolkenkratzer" getrost als Ausgeburten einer notorisch überspannten Phantasie so mancher Sexualforscher abtun kann, gab es Lebenspartnerschaften zwischen Mensch und Tier, besonders Hund und Katze schon vor undenklichen Zeiten. So entdeckten Archäologen vor einigen Jahren im Norden Israels ein bemerkenswertes Grab. Es war weniger dessen Alter von rund 12.000 Jahren, das die Forscher verblüffte, sondern vor allem die Tatsache, daß dort ein Mann und ein junger Hund gemeinsam begraben lagen. Dieses Grab ist das bisher älteste Zeugnis von der engen Beziehung zwischen Mensch und Hund. Nach und nach hat sich der Hund vom Hof oder Garten zu einer ansteigenden Stufe der Behaglichkeit im Heim des Menschen vorgearbeitet: von einer alten Wolldecke auf einem kalten Küchenfußboden bis zum Komfort eines Kissens in Herrchens oder Frauchens Bett.

Es ist eine seltsame Sache mit dem Menschen, der viel Zeit in seiner Geschichte damit verbracht hat, das Tier aus seinem Lebensbereich herauszuhalten, und nun eifrig damit beschäftigt ist, es wieder hereinzuholen.

Heinz Hochapfel, Zweibrücken

 

 

Zu: "Nationale Kraftanstrengung" von Jost Bauch, JF 24/05

Der Globalisierung stellen

Wir haben nur die Wahl zwischen " forciertem Globalismus" und " sozialem Protektionismus", also zwischen Scylla und Charybdis, da der Autor für beides richtigerweise ein Absinken des Lebensstandards prognostiziert. Wollen wir uns der Globalisierung stellen, kann diese Wahl jedoch durch unser Leistungsvermögen deutlich relativiert werden. Jede Leistung besitzt eine qualitative und quantitative Seite. Die Qualität der Leistung wird durch die Bildung, Disziplin und Zuverlässigkeit des deutschen Volkes sowie dessen Forschungs- und Entwicklungsleistungen bestimmt. Die Quantität der Leistung ist das pro Zeiteinheit (z.B. pro Jahr) geleistete Arbeitsvolumen. Daraus wird - ohne dieses weiter auszuführen - deutlich, daß wir im Vergleich zu unserer deutschen Geschichte und im internationalen Vergleich ein enormes Potential besitzen.

Es sei nur beispielhaft positiv an die Gründerjahre vor hundert Jahren, den Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg und negativ auf die heutige geringe jährliche Arbeitszeit und unsere weltweiten anspruchsvollen Urlaubsziele hingewiesen. Es gilt auch, früher das Berufsleben anzustreben und die Lebensarbeitszeit zu verlängern. Bestimmte Berufe können nach gerontologischen Forschungen (nach Ursula M. Lehr) bis zum 78. Lebensjahr mit Engagement ausgeführt werden.

Dr. Ekart Schaarschmidt, Waldbronn

 

Hauruck-Reden gab es genug

Es mag ja gut gemeint sein, wenn man sich als Soziologe zu den derzeitigen wirtschaftlichen Verwerfungen ausläßt. Sicher sind auch einige Schlußfolgerungen, was den Ist-Stand betrifft, richtig. Was Bauch dann aber von sich gibt, sind altbekannte Rezeptangebote nach dem Motto, funktioniert die Hefe nicht, nehmen wir Backpulver, selbst wenn längst bekannt ist, daß auch das nicht funktioniert. Denn Gründe dafür erkennt Bauch natürlich nicht, womit er nicht allein steht. Daß er dann ausgerechnet Hans Werner Sinn zitiert, der nun wirklich bekannt ist für seine undurchdachten und als einfältig zu betrachtenden Thesen, kann man vielleicht noch als gesellschaftlichen Irrtum bezeichnen. Und den Irrglauben, man muß nur die Märkte öffnen, drei Euro fuffzich in die Forschung schmeißen, und hinten kommen Qualitätsprodukte heraus, vor denen die Welt erbebt, und wir zurück sind in Ludwig Erhards Wunderland, das haben schon klügere Köpfe abgehakt.

Die Soziologie wird auch zukünftig ihre Aufgabe darin finden, Zustände des Zusammenlebens zu beschreiben, wie jetzt die Vernichtung von Menschen durch eine Wirtschaftspolitik, die arm macht. Daran kann sich dann Bauch ausgiebig auslassen.

Hauruck-Reden und nationale Anstrengungen sind genug gehalten bzw. gefordert worden. Wichtiger wäre es, Fachleuten wie Professor Hankel ("Das Ende der Illusion", gleiche Ausgabe) mehr zu folgen und sie nicht dem Machtdenken einer sich selbst der Political Correctness verpflichtenden Politikerkaste von ökonomischen Nichtfachleuten der bürgerlichen Parteien zu opfern.

Dipl.-Ing. Bernhard W. Tkocz, Oberhausen

 

Zu: "Kommt eine konservative Wende?" von Dieter Stein, JF 22/05

Ein schöner Traum

Es gab Zeiten, wo ein Sieg der Christdemokraten noch Freude bereitete, zumindest aber als kleineres Übel begrüßt wurde. Nach der politischen Wachablösung in NRW ist dieses Gefühl abhanden gekommen, und es ist zu befürchten, daß eine Kanzlerin Merkel keinen substantiellen Politikwechsel bewirken wird. Insofern kann der kritischen Lagebeurteilung durch Herrn Stein nur zugestimmt werden. Allerdings dürfte wohl Frau Merkel als letzter an der Bewahrung nationalstaatlicher Souveränität gelegen sein, nachdem ihre Parteifreunde mit überwältigender Mehrheit und im Schulterschluß mit Rot-Grün den Marsch in den Brüsseler Superstaat abgesegnet haben.

Bei soviel volksdemokratischer Solidarität und angesichts eines bis auf einige kümmerliche Federn nicht mehr vorhandenen konservativen Flügels bei den Christdemokraten kann man jede Hoffnung auf eine konservative Wende getrost fahren lassen. Deshalb bleibt auch der von Herrn Stein angemahnte Druck auf die CDU/CSU ein schöner Traum, wenn sich nicht eine starke nationalkonservative Sammlungsbewegung bildet, die endlich frischen Wind in das verkrustete bundesdeutsche Parteienspektrum bringt.

Gerd Kresse, Lagesbüttel


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen