© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/05 08. Juli 2005

Zeit zum Genießen nehmen
Gesundheit: Mediterrane Kost kann das Leben verlängern / Genug Kalzium auch in Gemüse
Iris Pufe

Essen wie die Italiener kann das Leben verlängern" - zu diesem Ergeb-nis kommt die Aachener Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik (GfED) in einer neuen Langzeituntersuchung in elf europäischen Ländern, bei der 2.339 Frauen und Männer über ihre Eßgewohnheiten befragt wurden.

Der GfED-Studie zufolge, welche die Ernährungsgewohnheiten von 70- bis 90jährigen untersuchte, senkt ein mediterraner Speiseplan, der viel Gemüse und wenig Fleisch enthält, die Sterblichkeitsrate infolge schwerer Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs um rund 60 Prozent. Noch bessere Chancen, ein hohes Alter - noch dazu bei guter Konstitution - zu erreichen, hat, wer auf Alkohol und Nikotin verzichtet und sich täglich mindestens eine halbe Stunde bewegt.

"Viele Kohlehydrate und Hülsenfrüchte, weniger Fleisch und mehr Fisch" seien zwar gesundheitsfördernde Kennzeichen der mediterranen Küche. Das eigentliche Geheimnis jedoch, meint die Ernährungswissenschaftlerin Ann-Margret Heyenga, sei vor allem: "Zeit zum Genießen".

Daß mediterrane Küche aber nicht nur hilft, den Alterungsprozeß zu verlangsamen, sondern darüber hinaus die Manneskraft zu steigern vermag, betont der US-Ökotrophologe Neal Barnard, Präsident des Physicians Committee for Responsible Medicine (Ärztekomitee für verantwortungsbewußte Medizin).

Über diese Nachricht dürften sich die in einer demographischen Krise befindlichen Deutschen besonders freuen, auch angesichts der statistischen Tatsache, daß Spaghetti und Pizza inzwischen zu ihren Lieblingsmahlzeiten gehören. Darüber hinaus dürften auch die EU-Nachbarn und US-Bürger aufhorchen. Herz-Kreislauf-Krankheiten und Krebs sind dort die häufigsten Todesursachen.

Daß eine Ernährung weg vom Fleisch und hin zum Pflanzlichen nicht nur hilfreich gegen das Altern, sondern auch gut für den Kinderwusch ist, erläuterte schon 1998 Barnard als Ernährungsexperte in seinem Buch "Iß dich fit!". Wird der freie Blutstrom in den Genitalien eingeschränkt, sei längerfristig eine Zeugungsunfähigkeit nicht ausgeschlossen.

Zu fleischhaltige Kost beeinträchtigt Kinderwunsch

"Arterienverengung als Hauptgrund für Erektionsstörungen hat einzig und allein ihre Ursache im Konsum von Fleisch", erklärte Barnard. Daß dabei die mediterrane Küche gute Dienste leisten könnte, bringt er auf die schlichte Formel: "Was soll ich mit Viagra? Ich will Spaghetti!" Bereits die Etymologie von "vegetarisch" legt diesen Zusammenhang nahe, denn das lateinische vegetus heißt soviel wie "rüstig", "munter" und "lebenskräftig". Bestätigt wird Barnards These durch Forschungsergebnisse der Universität von San Francisco. Wie das Wissenschaftlerkollegium um Dean Ornish herausfand, kann eine leicht fetthaltige, vegetarische Ernährung nicht nur dafür sorgen, daß der Kinderwunsch nicht unerfüllt bleibt, sondern sogar potenzsteigernd wirken. Denn zahlreiche andere Gesundheitsrisiken, die zu Impotenz führen können, wie etwa Diabetes, Fettleibigkeit und Bluthochdruck, werden durch eine fleischlose Ernährung vermindert.

Selbst die Behauptung, Vegetarier litten unter Kalziummangel, dürften allein die mehr als sechs Millionen Vegetarier in Deutschland widerlegen, da Kalzium in ausreichendem Maße in Gemüse enthalten ist. Es ist kein Zufall, daß inzwischen viele Spitzensportler auf vegetarische Kost setzen.

Zwar mögen für manchen eingefleischten Nicht-Vegetarier Fragen offenbleiben, etwa, ob die gepriesenen Vorteile der mediterranen Küche nicht durch Eßgewohnheiten - wie die in Italien üblichen späten Essenszeiten - aufgewogen werden. Und: Ist die italienische Küche tatsächlich fettarm? Was ist mit dem Wein zum Essen und dem Kaffee danach? Was ist von der Empfehlung "Fleisch ist ein Stück Lebenskraft" zu halten? Schon Demokrit sagte: "Gesundheit erflehen die Menschen von den Göttern; daß es aber in ihrer eigenen Hand liegt, sie zu erhalten, daran denken sie nicht."


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