© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/05 01. Juli 2005

Wenn der Wind nicht will, wie er soll
Energiepolitik: Widerstand gegen die Windkraftanlagen wächst / Ein Symposium der Gegner in Bielefeld
Klaus Peter Krause

Der Widerstand gegen die Windkraftanlagen in Deutschland wächst. Zwischen 700 und 800 Bürgerinitiativen dagegen soll es schon geben. Diese Zahlen nannte der Verband für Gesundheits- und Landschaftsschutz (VGL) auf seinem Symposium am 23. Juni in Bielefeld. Es ging dort um "Ökologische und ökonomische Aspekte der unsteten Windenergie". Der VGL will ein Sprachrohr für alle jene sein, die sich gegen die immer mehr flächendeckend aufgestellten Rotoren zur Wehr setzen und diese Nutzung der Windkraft nicht als Segen, sondern längst als Fluch empfinden.

Auf dem Bielefelder Symposium hat der VGL wieder zum Ausdruck gebracht, daß diese Anlagen der Landschaft, Natur und Gesundheit schaden sowie ökologisch sinnlos und volkswirtschaftlich nutzlos sind.

Tatsacheninformationen lieferte der Energieexperte Helmut Alt von der FH Aachen: In Deutschland wird der Strom vor allem aus Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle und Erdgas erzeugt, zusammen knapp 87 Prozent. Der meiste Strom (rund 28 Prozent) kommt aus der Nutzung von Kernenergie. Nur wenig tragen Wasser, Wind, Biomasse, Heizöl, Müll und Sonne zur Stromerzeugung bei, zusammen gut 13 Prozent, darunter 4,5 Prozent aus Wasser- und 4,1 Prozent aus Windkraft - alles Zahlen von 2004, als in Deutschland insgesamt 607 Milliarden Kilowattstunden (kWh) erzeugt worden sind.

Der teuerste Strom ist mit 55 Cent je kWh der aus Sonnenenergie (Photovoltaik) erzeugte, der zweitteuerste mit 14 Cent der aus Biomasse. An dritter Stelle mit neun Cent steht die Windkraft. Aus der Müllverbrennung wird Strom mit sechs Cent erzeugt, aus Wasserkraft mit 5,5 Cent, aus einem Steinkohlen-Mix mit fünf Cent, aus Erdgas und Heizöl mit vier Cent sowie aus Kernkraft und Braunkohle mit 2,5 Cent. Im Durchschnitt aller Energiearten zusammen betragen die Erzeugungskosten in Deutschland etwa vier Cent je kWh. Die Stromkosten insgesamt belaufen sich für private Haushalte im Durchschnitt auf 17,6 Cent, für Industrie und Gewerbe auf rund acht Cent. Darin enthalten sind die Erzeugungskosten, die Netznutzung, die Ökosteuer, die Abgabe aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die Konzessionsabgabe, die Meßkosten und die Mehrwertsteuer. Davon am höchsten sind mit knapp sieben Cent die Kosten für das Leitungsnetz.

Anhand von Zahlen und Messungen machte Alt klar, daß Strom aus Windkraft nur sehr begrenzt verfügbar ist und Windkraft keinen zuverlässigen Beitrag zur Stromversorgung zu leisten vermag. Der Ausnutzungsgrad der schon über 17.000 Windkraftanlagen in Deutschland liegt bei nur 10 bis 20 Prozent ihrer Nennleistung. Mal weht der Wind, mal weht er nicht, mal weht er zu stark, so daß die Anlagen abgeschaltet werden müssen.

Weil diese Unstetigkeit aufgefangen werden muß und die nötige Stromspannung im Leitungsnetz nicht zusammenbrechen darf, wenn der Wind nicht will, wie er soll, müssen die herkömmlichen Kraftwerke immer mitlaufen, auch wenn ihr Strom nicht voll benötigt wird. Denn ein drohender Spannungsabfall ist sonst nicht schnell genug zu verhindern. Das bedeutet: Windkraftwerke können diese Kraftwerke nicht ersetzen, keines dieser Kraftwerke wird eingespart, im Gegenteil: Mit neuen Windkraftanlagen müssen stets auch neue herkömmliche Kraftwerke gebaut werden. Außerdem müssen diese Kraftwerke jetzt nicht nur den schwankenden Stromverbrauch berücksichtigen, sondern auch die schwankende Verfügbarkeit des Windstroms, die aber weitaus weniger planbar ist als der schwankende Verbrauch, für den es feste Erfahrungsregeln gibt.

Der Ingenieur Johann Waldmann führte die Unstetigkeit des Windstroms plastisch vor Augen: "Versorgen Sie mal ein Baby nach Zeit und Menge so unregelmäßig mit Milch wie das Land mit Windstrom - das überlebt es nicht."

Da für Windkraftanlagen stets diese "Schattenkraftwerke" bereitstehen müssen, findet das, was die Windkraftbefürworter als ökologischen Nutzen hinstellen, in Wirklichkeit nicht statt. Auch dann, wenn es darum geht, die Emission von Kohlendioxid (CO2) zu vermindern, ist es wirtschaftlich weitaus sinnvoller, Kernkraft zu verwenden oder neue Braunkohle-, Erdgas- oder Steinkohlekraftwerke zu bauen, als Windkraftanlagen zu errichten. Denn die CO2-Vermeidungskosten von Windkraft, so führte Alt vor, betragen 60 bis 70 Euro je Tonne CO2. Beim Neubau von Steinkohle-Kraftwerken sind es nur 22 bis 26 Euro, von Braunkohle-Kraftwerken nur 17 bis 19 Euro. Verwendet man Kernenergie, kommt man sogar auf nur 11 bis 15 Euro. Zum Vermeiden von CO2 ist Windenergie also rund fünfmal so teuer als Kernkraft und 3,5mal so teuer wie Braunkohle.

Hinzu kommt, daß die Stromerzeugung aus Windkraft hochsubventioniert ist. Die übrigen Kraftwerksbetreiber müssen den Windstrom abnehmen, in ihr Netz einspeisen und dafür einen staatlich festgesetzten Preis (Zwangsabnahmepreis) zahlen, der die neun Cent Erzeugungskosten und die Gewinnspanne der Betreibergesellschaften und die Rendite der Geldanleger abdeckt. Diese Zwangsabgabe legen die Kraftwerksbetreiber auf alle Stromkunden um - eine versteckte zusätzliche Steuer, die dritte neben Öko- und Mehrwertsteuer, mit der der Staat den Stromverbrauch verteuert. Die gesetzliche Grundlage für die dritte Steuer ist das EEG. Überdies hat der Gesetzgeber im Baugesetzbuch und durch anderes Regelwerk das Aufstellen der Anlagen privilegiert, was die flächendeckende Ausbreitung solcher Anlagen geradezu herausfordert.

Privilegierung und Subventionierung sind für die Projektierer und Betreiber von Windkraftanlagen sowie die Geldgeber derart lukrativ, daß sie immer mehr Windräder errichten wollen und längst auch das Binnenland damit zustellen, denn die Küstenplätze sind bereits vergeben und der Widerstand gegen sie dort inzwischen zu stark. Aber im Binnenland weht der Wind schwächer und noch unbeständiger. Daher werden die Anlagen immer höher - in der Hoffnung, durch Höhe mehr Wind einzufangen und durch Anlagen mit größerer Leistung höhere subventionierte Erlöse zu erzielen. Zur Subventionierung über den Zwangspreis kommen direkte Subventionen an die Windradhersteller (Investitionsförderung) noch hinzu. Einzubeziehen sind auch die Steuerkürzungen aus Verlustzuweisungen an die Geldanleger. "Die Windenergie wird schon stärker subventioniert als die deutsche Steinkohle", so Alt.

"Westwall der Grünen gegen den Klimawandel"

Alles dies und noch mehr ist beim Bielefelder Symposium dargestellt und heftig kritisiert worden. Der Mathematiker Heinrich Düpmann rechnete vor, in Deutschland würden für die Windkraft "jährlich fast vier Milliarden Euro vergeudet". Der Betrag könne in den nächsten zehn Jahr auf sieben Milliarden steigen. Die Mehrkosten für jeden Windkraft-Arbeitsplatz lägen bei 80.000 Euro. Der Geograph und Leiter des Heimatschutzes Höxter-Paderborn, Horst-Dieter Krues, zeigte anhand von Fotos, wie Windräder die Landschaft verunstalten und abwerten. Er nannte sie sarkastisch den "Westwall der Grünen gegen den Klimawandel".

Der Klimatologe, Biologe und Journalist Edgar Gärtner sagte, an der Erwärmung der Erde könne man durch CO2-Reduktion ohnehin nichts ändern; die habe es schon früher gegeben. Dies habe im wesentlichen andere Ursachen. Aber die Politik habe sich von der wissenschaftlichen Diskussion und vom Willen der Bevölkerung abgekoppelt; beides kümmere sie nicht. Die politische Klasse poche darauf, daß sie demokratisch gewählt sei und die Politik das Primat habe. Gärtner nannte dies ein "Dogma der Politik über die Physik", das aufzubrechen sei. Das EEG sei in einer Marktwirtschaft ein Fremdkörper; es sichere einer Minderheit festen Absatz und überhöhte Festpreise - ob das auch unter einer neuen Bundesregierung noch gilt, bleibt abzuwarten.


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