© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/05 01. Juli 2005

Auf unsere nationale Identität besinnen
Flandern-Niederlande: Vlaams-Belang-Chef Dewinter und Ex-Fortuyn-Minister Nawijn gründen rechtsnationale Stiftung
Jerker Spits

Filip Dewinter, Chef der flämisch-rechtsnationalen Partei Vlaams Belang (VB), und Hilbrand Nawijn, Ex-Minister und bislang Abgeordneter der niederländischen Liste Pim Fortuyn (LPF), wollen künftig verstärkt zusammenarbeiten. Im Haus des 2002 ermordeten Politikers Pim Fortuyn haben beide Politiker eine Stiftung gegründet.

"Früher waren die Niederlande ein Beispiel für alles, was links und progressiv war, jetzt sind sie ein Beispiel für Rechte und Konservative", erklärte Dewinter Ende Juni. Belgische Politiker sollten sich künftig mehr an Den Haag als auf Paris orientieren. Die von Dewinter und Nawijn gegründete Stiftung soll in Europa für die etwa 25 Millionen Niederländischsprachigen eintreten und sich mit den Themen Identität, Ausländerpolitik, Kultur und wirtschaftliche Zusammenarbeit befassen. Die Stiftung wird nach dem niederländischen Staatsmann und Dichter Marnix van St. Aldegonde (1540-1598) benannt.

"Es wird viel über andere Gruppen und Kulturen gesprochen, aber wir sollten die Frage beantworten, wofür wir selbst eigentlich stehen", erklärte Nawijn. Er war im ersten Kabinett des Christdemokraten Jan Peter Balkenende Minister für Ausländerpolitik und Integration. Davor arbeitete er unter anderem als Direktor des niederländischen Integrationsdienstes (IND) und als Anwalt. Bei der letzten Wahl erhielt Nawijn gut 21.000 Vorzugsstimmen.

Die anderen LPF-Abgeordneten zeigten sich erbost über Nawijns "Umgang". Bereits im Januar hatte Nawijn Kontakte mit dem VB, der Nachfolgepartei des Vlaams Blok, geknüpft. Der von den Kapverden stammende LPF-Abgeordnete João Varela bezeichnete Dewinter als "Rechtsextremisten".

"So etwas hätte ich nicht von ihm erwartet"

Auch Pim Fortuyns Bruder, Marten Fortuyn, brachte wenig Verständnis für Nawijns Nähe zu Dewinter auf: "So etwas hätte ich nicht von ihm erwartet. Man sollte sich vergegenwärtigen, daß Dewinter immer noch eine gewisse Nähe zum Rechtsextremismus aufweist." LPF-Fraktionschef Gerard van As meinte, es stehe Nawijn frei, ein Gespräch mit Dewinter zu führen. Allerdings sei es "nicht vernünftig", die Begegnung im früheren Haus Fortuyns stattfinden zu lassen.

Als Minister trat Nawijn für eine restriktivere Integrationspolitik ein und verlangte wiederholt eine Verschärfung der Auswahlverfahren. Obwohl die damalige Regierung aus Christdemokraten (CDA), Rechtsliberalen (VVD) und der LPF die unerwünschte Zuwanderung begrenzte und Abschied von der traditionell liberalen niederländischen Einwanderungspolitik nahm, gingen die Koalitionspartner wiederholt auf Distanz zu Nawijns Vorschlägen. Seine Aussagen wirkten oft undiplomatisch. Balkenende bat Nawijn wiederholt, gegenüber den Medien vorsichtiger zu sein.

Nachdem 2002 durch interne Streitereien zwischen zwei LPF-Ministern die Koalition platzte, schien die rechtspopulistische Partei in rivalisierende Fraktionen zu zerfallen. Parteigründer Pim Fortuyn, der kurz vor der Wahl von einem Linksradikalen ermordet wurde, hatte bis zuletzt an den politischen Fähigkeiten seiner Kandidaten gezweifelt, keiner sei für ein Ministeramt geeignet.

Nach der Ermordung ihres Namengebers erwies sich die Partei auch bald als ein zerstrittener Haufen von Individualisten und Opportunisten. Die meisten Anhänger Fortuyns haben der LPF wegen der Streitereien inzwischen den Rücken zugekehrt. Aus Umfragen ergibt sich, daß vor allem der unabhängige, aus der VVD ausgeschlossene Geert Wilders auf die Stimmen ehemaliger LPF-Wähler rechnen kann (JF 14/05).

Auf die Frage, weshalb er sich nicht an den - im Vergleich zu Nawijn - charismatischeren und erfolgreicheren Wilders halte, antwortete Dewinter: "Nawijn ist als erster niederländischer Politiker auf mich zugekommen." Wilders lehnt wie zeitlebens Pim Fortuyn eine Zusammenarbeit mit Dewinter grundsätzlich ab. Der VB gilt in den Niederlanden immer noch als eine "rassistische" Partei. Fortuyn wollte auch nie mit Dewinter oder dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider verglichen werden. Gegenüber der niederländischen Presse erklärte Dewinter aber, Fortuyn habe eine Zusammenarbeit mit seiner Partei nur abgelehnt, weil sie von den Medien als "rechtextrem" bezeichnet werde. Inhaltlich habe es zwischen ihm und Fortuyn viele Übereinstimmungen gegeben. Dewinter hat eine bessere Zusammenarbeit rechtsnationaler Parteien wiederholt befürwortet.

Mögliche Grundlage für eine künftige rechte Partei

Drei Tage nach seiner Begegnung mit Dewinter kündigte Nawijn an, aus der LPF-Fraktion auszutreten. Bei der nächsten Parlamentswahl 2007 wolle er mit einer eigenen Partei antreten. Wie Wilders bildet Nawijn jetzt eine Ein-Mann-Fraktion. In der Amsterdamer Zeitung De Telegraaf meinte Nawijn, es sei möglich, daß die Stiftung die Grundlage für eine künftige Partei bilde. "In diesem Punkt bin ich ganz mit Dewinter einverstanden: Wir sollten uns auf unsere eigene nationale Identität besinnen, auf die wir stolz sein können."

Laut einer Telegraaf-Umfrage sind die meisten Niederländer der Ansicht, Nawijn berufe sich zu Unrecht auf Pim Fortuyn. Der sogenannte cordon sanitaire, die politische Ausgrenzung des VB durch Christdemokraten, Liberale, Sozialisten und Grüne in Belgien, wird aber mehrheitlich abgelehnt.


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