© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/05 01. Juli 2005

Fragile Wünsche
von Curd-Torsten Weick

Die Iraner haben gewählt, und der Westen zeigte sich entsetzt. Denn sie haben nicht das gewählt, was man sich vorgestellt hat. Wen hätten sie aber wählen sollen? Etwa den als "gemäßigt konservativ" apostrophierten Ex-Präsidenten Hashemi Rafsandschani? Der im Westen als sogenannter Reformer Gehandelte erlangte im Laufe der Jahre Ruhm sowie Reichtum und bestach vor allem durch seine Wandlungsfähigkeit - einmal als vermeintlicher Mann der Liberalisierung, dann mal wieder als konservativer Stützpfeiler des Mullah-Staates. Der Westen nahm dies staunend wahr - und hin. Ähnlich wie beim vormaligen glück- und machtlosen "Reform"-Präsidenten Mohammed Chatami ergriff man den kleinsten Strohhalm, um einer wie auch immer gearteten Annäherung das Wort zu reden.

Entgegen allen fragilen Wünschen haben sich nun die Iraner, die sich als soziale Verlierer fühlen, anders entschieden. In der Hoffnung auf Besserung wählten sie den "erzkonservativen" Mahmoud Ahmadineschad zum neuen Präsidenten. Der gilt als Mann der Mullahs und unterfütterte dies auch mit kernigen Sprüchen. Doch nun wird er beweisen müssen, ob er all die in ihn gesetzten - positiven und negativen - Erwartungen erfüllen kann. Die Frage ist nur, wieviel Spielraum ihm Ayatollah Ali Khamenei dabei zugesteht. Der Oberste Revolutionsführer ist der unbestrittene Herrscher der Islamischen Republik Iran, egal ob der Präsident nun als gemäßigt, erz- oder ultrakonservativ betitelt wird. Für Kontinuität nach innen und außen ist also gesorgt - das sollte auch im Westen nicht vergessen werden.


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