© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/05 24. Juni 2005

Unzulässig verallgemeinert
DFG-Förderung nach 1933
Lutz Pietsch

Vor zehn Jahren entdeckte Lothar Mertens in den Hoover Institution Archives 1.140 Akten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) - der zentralen Selbstverwaltungseinrichtung der Wissenschaft zur Förderung der Forschung an Hochschulen und öffentlichen Forschungsinstitutionen -, mit denen sich die Forschungsförderung in der NS-Zeit dokumentieren läßt. Mertens hat mit seinem glücklichen (P)fund wirklich gewuchert. Seit 1996 publizierte er mehr als ein Dutzend Aufsätze zu dieser Thematik.

Kein Wunder also, daß ihre Zusammenfassung kaum erkenntnisfördernde Überraschungen mehr bietet. Kompakt wirkt allerdings die bisher portionsweise verabreichte Moralpredigt recht nervig. Mertens kann sich nicht genugtun, Friedrich Schmidt-Ott, den 1934 entlassenen DFG-Präsidenten, zu geißeln, dem er mehr als nur einen "Kotau vor dem braunen Regime" ankreidet. Doch die DFG-Präsentation im Mai 1933, bei Mertens ein Eckstein seiner Anklage gegen "Schmidt-Otts Selbstgleichschaltung", sollte schon 1932 stattfinden, war also nicht exklusiv auf die NS-Machtergreifung zugeschnitten. Daß mit Eugen Fischers Vortrag auf dieser Tagung "letztlich die Shoa" vorbereitet wurde, wie Mertens raunt, ist offenkundiger Unfug.

Doch sind das eher Nebenkriegsschauplätze, über die Mertens seine Hauptthese nicht aus dem Auge verliert. Ihm geht es darum, zu beweisen, daß ab 1933 die an ideologischen Kriterien orientierte Förderpraxis eine leistungsbezogene Vergabe von Forschungsgeldern an Nachwuchswissenschaftler ersetzt habe. Darum - und nicht nur aufgrund des rassenideologisch erzwungenen "Wissenstransfers", der Forscher in die Emigration trieb - sei gerade die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung schnell hinter der ausländischen Konkurrenz zurückgeblieben.

Obwohl Mertens hier sachlich sein Material ausbreitet, kann man sich Notker Hammersteins Kritik (Historische Zeitschrift, 279/2004) nicht verschließen, daß die aus Einzelbefunden abgeleitete These vom Primat des Ideologischen nicht überzeugt, weil sie unzulässig verallgemeinert.

Lothar Mertens: "Nur politisch Würdige". Die DFG-Forschungsförderung im Dritten Reich 1933-1937. Akademie Verlag, Berlin 2004, 414 Seiten, gebunden, 64,80 Euro


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