© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/05 24. Juni 2005

Kolumne
Kreative Zerstörung in der EU
Bruno Bandulet

Dem großen österreichischen Ökonomen Joseph Alois Schumpeter (1883-1950) verdanken wir nicht nur eine ausgefeilte Theorie der Zyklen, sondern auch den Begriff der "schöpferischen Zerstörung". Beides läßt sich auch auf die EU und ihre derzeitige Krise anwenden. Als falsch hat sich die Vorstellung herausgestellt, daß der Fortschritt der EU linear verlaufen werde, daß die Union immer nur größer, zentralistischer und teurer werden könne.

Die Methode bestand darin, einen permanenten Prozeß zu inszenieren (dies übrigens ein trotzkistischer Ansatz) und einen Vertrag auf den anderen folgen zu lassen: Maastricht, Amsterdam, Nizza und zuletzt die sogenannte Verfassung. Daß irgend jemand diesen Prozeß stoppen könnte, war nicht vorgesehen. Daher auch der Schock der europäischen Berufspolitiker, als Franzosen und Niederländer wagten, Nein zu sagen. Da hieß es, die beiden Völker hätten mit Blick auf die Innenpolitik entschieden, man habe ihnen die Verfassung nicht richtig vermittelt, oder man hätte sie am besten gar nicht abstimmen lassen sollen. Auch hier eine marxistische Anleihe: die Unterstellung nämlich, daß jeder Widerstand gegen den determinierten Geschichtsverlauf auf einem falschen Bewußtsein beruht.

Jetzt hat die Realität die Ideologen eingeholt. Nun besteht zumindest die Chance, daß Schumpeters "schöpferische Zerstörung" dafür sorgt, daß Verkrustungen aufgebrochen werden und daß sich die EU neu erfindet - wobei wir allerdings das ungeheure Beharrungsvermögen der Brüsseler Bürokratie nie unterschätzen dürfen.

In einer neuen EU würden die 80.000 Seiten Gesetzestext, die auch den osteuropäischen Mitgliedern zugemutet wurden, radikal zusammengestrichen, würde die verschwenderische Umverteilung von Steuergeldern zurückgefahren, würde endlich wieder all das auf nationaler Ebene geregelt, was sich dort billiger und effektiver regeln läßt. In einer reformierten EU würden nicht länger 80 Prozent der Gesetze in Brüssel beschlossen und anschließend von den nationalen Parlamenten mit Volkskammermehrheiten abgenickt. Und schnellstens abgeschafft würde der Europäische Haftbefehl, weil das Schutz- und Treueverhältnis zwischen Bürger und Nationalstaat nicht zuletzt darauf gründet, daß niemand an eine fremde Justiz ausgeliefert werden darf.

Erhaltenswert sind Errungenschaften wie der Binnenmarkt, der freie Kapitalverkehr und die gemeinsame Handelspolitik. Und wünschenswert ist eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik, an der es bisher leider fehlt.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des DeutschlandBriefes und des Finanzdienstes Gold&Money Intelligence.


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