© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/05 17. Juni 2005

Frisch gepresst

Germanisten. Die "Zwei Fallstudien: Hermann Schneider und Gustav Neckel" des Frankfurter Nordisten Klaus von See und seiner jungen Berliner Kollegin Julia Zernack unter dem Titel "Germanistik und Politik in der Zeit des Nationalsozialismus" (Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2004, 211 Seiten, Abbildungen, 26 Euro) bieten ein Stück Wissenschaftsgeschichte einer Disziplin, die sich von jeher auf ihrem Forschungsfeld, den "germanischen Heldensagen", auf ideologieträchtigem Boden bewegte. Vor allem dem Emeritus von See gelingt es, in seiner filigranen Rekonstruktion des persönlichen Verhaltens wie der wissenschaftlichen Produktion des Tübinger Germanisten Hermann Schneider jene Form von "Bewältigung" hinter sich zu lassen, die er bei Walter Jens ("moralisierende Suada"), Volker Ullrich ("ohne historisches Verständnis") oder den Machern des "Internationalen Germanistenlexikons" ("ahnungslos") zu Recht geißelt.

Anti-PEN. Der Frankfurter Historiker Notker Hammerstein hat dem Freiburger Romanisten Frank-Rutger Hausmann unlängst bescheinigt, auf zeitgeschichtlichem Gebiet nicht eben eine glückliche Figur zu machen, weil seine Neigung zu moralisierender Beckmesserei seine thematisch durchaus interessanten Studien zur Wissenschaftsgeschichte der NS-Zeit gründlich verderbe. Mit seinem jüngsten Werk hat sich der geradezu manisch produzierende Hausmann nun eher auf die eigene Domäne der Literaturgeschichte zurückgezogen, doch die vielfach mit den politischen Zeitläuften verknüpfte "Europäische Schriftstellervereinigung in Weimar 1941-1948", eine Gegengründung zum "reichsfeindlichen", mit Emigranten gespickten PEN-Club in London ("Dichte, Dichter, tage nicht!", Klostermann Verlag, Frankfurt am Main 2004, 409 Seiten, 39 Euro), bietet ihm wieder viel zu oft Anlaß zu enthemmten polemischen Ausfällen ("der von Nazideutschland angezettelte Weltkrieg" usw.). Schade, denn die Ergebnisse der in fast fünfzig Archiven europaweit durchgeführten Recherchen zeugen von Forscherfleiß und verdienen durchaus Beachtung.

Haffner. "Er präge die Bundesdeutschen historisch und politisch womöglich nachhaltiger als schulischer Geschichtsunterricht und historische Wissenschaft." Vielleicht ist diese Klassifizierung des Publizisten Sebastian Haffner seines politischen Biographen Ralf Beck etwas über das Ziel hinaus geschossen. Doch die unzähligen Beiträge des 1999 verstorbenen "Geschichtsdenkers" geben auf jeden Fall Aufschluß über das historische Koordinatensystem der alten Bundesrepublik, er verkörperte dieses sozusagen. Dabei hat Raimund Pretzel, dessen Pseudonym Sebastian Haffner aus seiner Exilzeit in London ab 1938 zum Markennamen wurde, alle Phasen der Deutschlandpolitik bis zur Vereinigung 1990 zumindest vorgedacht (Der traurige Patriot. Sebastian Haffner und die Deutsche Frage. Bebra Verlag, Berlin 2005, 367 Seiten, broschiert, 24,90 Euro)

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen